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Schopenhauers Kosmos

 

 Gattung.

1) Begriff der Gattung.

Die (Platonischen) Ideen der verschiedenen Stufen der Wesen, welche die adäquate Objektivation des Willens zum Leben sind, stellen sich in der an die Form der Zeit gebundenen Erkenntnis des Individuums als die Gattungen, d. h. als die durch das Band der Zeugung verbundenen, sukzessiven und gleichartigen Individuen dar. Die Gattung ist daher die in der Zeit auseinander gezogene Idee (ειδος, species). (W. II, 582.)

2) Übermacht des Gattungslebens über das individuelle Leben.

Obgleich der Wille nur im Individuum zum Selbstbewusstsein gelangt, also unmittelbar nur als Individuum erkennt; so tritt das in der Tiefe liegende Bewusstsein, dass eigentlich die Gattung es ist, in der sein Wesen sich objektiviert, doch darin hervor, dass dem Individuum die Angelegenheiten der Gattung als solcher, also die Geschlechtsverhältnisse, die Zeugung und Ernährung der Brut, ungleich wichtiger und angelegener sind, als alles Andere. Daher also bei den Tieren die Brunst und beim Menschen die sorgfältige und kapriziöse Auswahl des anderen Individuums zur Befriedigung des Geschlechtstriebes, welche sich bis zur leidenschaftlichen Liebe steigern kann; eben daher endlich die überschwängliche Liebe der Eltern zu ihrer Brut. (W. II, 582.) Alle Tatsachen deuten darauf hin, dass das Leben des Individuums im Grunde nur ein von der Gattung geborgtes und dass alle Lebenskraft gleichsam durch Abdämmung gehemmte Gattungskraft ist. Dieses aber ist daraus zu erklären, dass das metaphysische Substrat des Lebens sich unmittelbar in der Gattung und erst mittelst dieser im Individuum offenbart. Die Heftigkeit des Geschlechtstriebes, der rege Eifer und der tiefe Ernst, mit welchem jedes Tier, und ebenso der Mensch, die Angelegenheiten desselben betreibt, bezeugt, dass durch die ihm dienende Funktion das Tier Dem angehört, worin eigentlich und hauptsächlich sein wahres Wesen liegt, nämlich der Gattung; während alle anderen Funktionen und Organe unmittelbar nur dem Individuum dienen, dessen Dasein im Grunde nur ein sekundäres ist. In der Heftigkeit jenes Triebes, welcher die Konzentration des ganzen tierischen Wesens ist, drückt ferner sich das Bewusstsein aus, dass das Individuum nicht fortdauere und daher Alles an die Erhaltung der Gattung zu setzen habe, in welcher sein wahres Dasein liegt. (W. II, 583 fg.) Der Wille zum Leben äußert sich zwar zunächst als Streben zur Erhaltung des Individuums; jedoch ist dies nur die Stufe zum Streben nach Erhaltung der Gattung, welches letztere in dem Grade heftiger sein muss, als das Leben der Gattung an Dauer, Ausdehnung und Wert das des Individuums übertrifft. (W. II, 586. 639.)
Über Gattung im logischen Sinne siehe: Genus.