1) Wirkung der Freude.
Wie jede merkliche Erregung des Willens die Funktion des Intellekts
stört und durch seine Einmischung ihr Resultat verfälscht, so auch die
Freude. Die Freude macht unüberlegt, rücksichtslos und verwegen.
(
W. II, 241.)
2) Gegen das Übermaß der Freude.
Unmäßige Freude und sehr heftiger Schmerz finden sich immer nur
in der selben Person ein; denn beide bedingen sich wechselseitig und
sind auch gemeinschaftlich durch große Lebhaftigkeit des Geistes bedingt.
Beide werden nicht durch das rein Gegenwärtige, sondern durch Antizipation
der Zukunft hervorgebracht. Da aber der Schmerz dem
Leben wesentlich ist und auch seinem Grade nach durch die Natur des
Subjekts bestimmt ist, daher plötzliche Veränderungen, weil sie immer
äußere sind, seinen Grad eigentlich nicht ändern können; so liegt dem
übermäßigen Jubel oder Schmerz immer ein Irrtum und Wahn zum
Grunde; folglich ließen jene beide Überspannungen des Gemüts sich
durch Einsicht vermeiden. Jeder unmäßige Jubel (
exaltatio, insolens
laetitia) beruht immer auf dem Wahn, Etwas im Leben gefunden zu
haben, was gar nicht darin anzutreffen ist, nämlich dauernde Befriedigung.
Von jedem einzelnen Wahn dieser Art muss man später unausbleiblich
zurückgebracht werden und ihn dann, wenn er verschwindet, mit eben so
bitteren Schmerzen bezahlen, als sein Eintritt Freude verursachte. Er
gleicht insofern durchaus einer Höhe, von der man nur durch Fall
wieder herab kann; und jeder plötzliche, übermäßige Schmerz ist eben
nur der Fall von so einer Höhe, das Verschwinden eines solchen
Wahns, und daher durch ihn bedingt. Um beide zu vermeiden, hat
man die Dinge stets im Ganzen und in ihrem Zusammenhang aufzufassen
und sich zu hüten, ihnen die subjektive Farbe zu leihen. Die
Stoische Ethik ging hauptsächlich darauf aus, das Gemüt von allem
solchen Wahn zu befreien und ihm statt dessen unerschütterlichen Gleichmut
zu geben. (
W. I, 374 fg.) Über keinen Vorfall sollte man in
großen Jubel, oder große Wehklage ausbrechen; teils wegen der Veränderlichkeit
aller Dinge, die ihn jeden Augenblick umgestalten kann;
teils wegen der Trüglichkeit unseres Urteils über das uns Gedeihliche,
oder Nachteilige, in Folge welcher fast Jeder ein Mal wehgeklagt hat
über Das, was nachher sich als sein wahres Bestes auswies, oder
gejubelt über Das, was die Quelle seiner größten Leiden geworden ist.
(
P. I, 503.)
3) Unterschied der echten von der gleisnerischen Freude.
Die allermeisten Herrlichkeiten sind bloßer Schein, wie die Theaterdekoration,
und das Wesen der Sache fehlt. Z. B. bewimpelte und
bekränzte Schiffe, Kanonenschüsse, Illuminationen, Pauken und Trompeten,
Jauchzen und Schreien u. s. w. — dies Alles ist das Aushängeschild,
die Hieroglyphe der Freude; aber die Freude selbst ist
dabei meistens nicht zu finden; sie allein hat beim Feste abgesagt. Die
wirkliche Freude kommt in der Regel ungeladen und unangemeldet, von
selbst und
sans facon, ja, still herangeschlichen, oft bei den unbedeutendsten
Anlässen, unter den alltäglichsten Umständen, ja, bei nichts
weniger als glänzenden, oder ruhmvollen Gelegenheiten. Bei allen
oben erwähnten gleißenden Dingen und Festlichkeiten ist auch der Zweck
bloß, Andere glauben zu machen, hier wäre die Freude eingekehrt; dieser
Schein im Kopf Anderer ist die Absicht. Glänzende, rauschende Feste
und Lustbarkeiten tragen stets eine Leere, wohl gar einen Misston im
Innern, schon weil sie dem Elend und der Dürftigkeit unseres Daseins
laut widersprechen, und der Kontrast erhöht die Wahrheit. (
P. I, 436.)