Fanatismus.
Die Verwebung der Moral mit mythischen Dogmen in den positiven
Glaubenslehren — welche Verwebung jeder positiven Glaubenslehre ihre
große Kraft gibt — hat zur Folge, dass die Gläubigen die Moral
von dem mit ihr verwebten Mythos nicht mehr zu trennen vermögen
und nun jeden Angriff auf den Mythos für einen Angriff auf Recht
und Tugend ansehen. Dies geht so weit, dass bei den monotheistischen
Völkern Atheismus, oder Gottlosigkeit, das Synonym von Abwesenheit
aller Moralität geworden ist. Den Priestern sind
solche Begriffsverwechselungen willkommen, und nur in Folge derselben
konnte jenes furchtbare Ungeheuer, der Fanatismus, entstehen und
nicht etwa nur einzelne verkehrte und böse Individuen, sondern ganze
Völker beherrschen und zuletzt, was zur Ehre der Menschheit nur Ein
Mal in ihrer Geschichte dasteht, in diesem Okzident sich als Inquisition
verkörpern, welche in Madrid allein in 300 Jahren 300,000
Menschen, Glaubenssachen halber, auf dem Scheiterhaufen qualvoll
sterben ließ. (W. I, 427, Anmerk. E. 262 fg.)