Experiment.
1) Der Weg des Experiments.
Der gewöhnliche und meist der einzig vorhandene Weg der Forschung in den empirischen Wissenschaften, wie auch in den Angelegenheiten des wirklichen Lebens, ist der, von der Folge auf den Grund zu gehen, welcher Weg stets unsicher ist. Das Experiment ist schon ein Versuch, ihn in umgekehrter Richtung zurückzulegen; daher ist es entscheidend und bringt wenigstens den Irrtum zu Tage, vorausgesetzt, dass es richtig gewählt und redlich angestellt sei. (W. II, 97.)2) Wie der echte Forscher experimentiert.
Die, welche die Fortschritte der Physik ganz von den Händen, ohne Zutun des Kopfes, erwarten, also am liebsten bloß experimentieren möchten, ohne dabei zu denken, meinend, ihr physikalischer oder chemischer Apparat solle statt ihrer denken und solle selbst, in der Sprache bloßer Experimente, die Wahrheit aussagen, diese Denkscheuen häufen die Experimente ins Unendliche und in denselben wieder die Bedingungen, so dass mit lauter höchst komplizierten, ja, endlich mit ganz vertrackten Experimenten operiert wird, also mit solchen, die nimmermehr ein reines und entschiedenes Resultat liefern können; während der echte und selbstdenkende Forscher seine Experimente möglichst einfach einrichtet, um die deutliche Aussage der Natur rein zu vernehmen und danach zu urteilen. (P. II, 115.)3) Unzulänglichkeit des Experiments ohne Urteilskraft.
Auch das Experiment muss wieder beurteilt werden, setzt also Urteilskraft voraus. (W. II, 97.) Wohin Denken ohne Experimentieren führt, hat uns das Mittelalter gezeigt; aber unser Jahrhundert ist bestimmt, uns sehen zu lassen, wohin Experimentieren ohne Denken führt. Beispiel: die unglaubliche Rohheit der jetzigen mechanischen Physik mit ihrer absurden Atomistik. (P. II, 119.)
Zur Entdeckung der wichtigsten Wahrheiten wird nicht die Beobachtung
der seltenen und verborgenen, nur durch Experimente
darstellbaren Erscheinungen führen; sondern die der offen daliegenden,
Jedem zugänglichen Phänomene. Daher ist die Aufgabe nicht sowohl,
zu sehen, was noch Keiner gesehen hat, als bei Dem, was Jeder
sieht, zu denken, was noch Keiner gedacht hat. Darum auch gehört
so viel mehr dazu, ein Philosoph, als ein Physiker zu sein.
(P. II, 116.)