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Schopenhauers Kosmos

 

 Deutsch.

1) Charakterzüge der deutschen Nation.

Die Deutschen sind frei von Nationalstolz und legen hierdurch einen Beweis der ihnen nachgerühmten Ehrlichkeit ab; vom Gegenteil aber Die unter ihnen, welche einen solchen vorgeben und lächerlicher Weise affektieren, wie die Demokraten. (P. I, 381.)
Ein eigentümlicher Fehler der Deutschen ist, dass sie, was vor ihren Füßen liegt, in den Wolken suchen. Ein ausgezeichnetes Beispiel hiervon liefert die abstrakte Behandlung des Naturrechts von den Philosophieprofessoren. Bei gewissen Worten, wie Recht, Freiheit, das Gute, das Sein, die Idee, wird dem Deutschen ganz schwindlig. Statt die Realität ins Auge zu fassen, ergeht er sich in nichtssagenden, hochtrabenden Phrasen. (P. II, 256. G. 113.)
Der wahre Nationalcharakter der Deutschen ist Schwerfälligkeit. Sie leuchtet hervor aus ihrem Gange, ihrem Tun und Treiben, ihrem Reden, Erzählen, Verstehen und Denken, ganz besonders aber aus ihrem Stil im Schreiben. (P. II, 578.) Die Deutschen zeichnen sich durch Nachlässigkeit des Stils, wie des Anzugs, vor anderen Nationen aus, und beiderlei Schlamperei entspringt aus derselben im Nationalcharakter liegenden Quelle. (P. II, 576.)
Die Deutschen sind sehr tolerant. Sie bewundern und ahmen leicht jede neue Narrheit (namentlich in Stil und Schreibart) nach, statt sie zu tadeln. Daher greift in Deutschland jede so schnell um sich. (P. I, 487.)
Dem Deutschen sind, in allen Dingen, Ordnung, Regel und Gesetz verhasst; er liebt sich die individuelle Willkür und das eigene Caprice. In geselligen Vereinen, Clubs und dergleichen kann man sehen, wie gern, selbst ohne allen Vorteil ihrer Bequemlichkeit, Viele die zweckmäßigsten Gesetze der Gesellschaft mutwillig brechen. Aus dieser besagten Eigentümlichkeit der Deutschen entspringt bei ihnen die gegenwärtig so allgemein gewordene Manie der Sprachverhunzung. (P. II, 568 fg.)
Keine Nation ist so wenig, wie die Deutschen, geneigt, selbst zu urteilen und danach zu verurteilen, wozu das Leben und die Literatur stündlich Anlass bietet. Sie sind ohne Galle, wie die Tauben; aber wer ohne Galle ist, ist ohne Verstand und ohne die aus diesem hervorgehende Schärfe zum Tadeln tadelhafter Dinge, welche vom Nachahmen derselben abhält. (P. II, 584.)
Die Urteilslosigkeit der Deutschen zeigte sich besonders in ihrem Verhalten zur Götheschen Farbenlehre und zur Hegelschen Philosophie. Ihr Urteil über Göthes Farbenlehre entspricht den Erwartungen, die man sich zu machen hat von einer Nation, die einen geist- und verdienstlosen, Unsinn schmierenden und hohlen Philosophaster, wie Hegel, 30 Jahre lang als den größten aller Denker und Weisen präkonisieren konnte. (P. I, 105; II, 210.)
Von den Deutschen sagt Thomas Hood (up the Rhine), für eine musikalische Nation seien sie die lärmendste, die ihm je vorgekommen. Dass sie dies sind, liegt aber nicht daran, dass sie mehr, als Andere, zum Lärmen geneigt wären, sondern an der aus Stumpfheit entspringenden Unempfindlichkeit Derer, die den Lärm anzuhören haben, als welche dadurch in keinem Denken oder Lesen gestört werden, weil sie eben nicht denken. Die allgemeine Toleranz gegen unnötigen Lärm, z. B. gegen das Türenwerfen, ist geradezu ein Zeichen der allgemeinen Stumpfheit und Gedankenleere der Köpfe. In Deutschland ist es, als ob es ordentlich darauf angelegt wäre, dass vor Lärm Niemand zur Besinnung komme. (P. II, 681.)

2) Die deutsche Sprache.

Der einzige wirkliche Vorzug, den die deutsche vor den übrigen europäischen Nationen hat, ist die Sprache. Die deutsche Sprache nämlich ist die einzige, in der man beinahe so gut schreiben kann, wie im Griechischen und Lateinischen, welches den anderen europäischen Hauptsprachen, als welche bloße patois sind, nachrühmen zu wollen lächerlich sein würde. Daher eben hat, mit diesen verglichen, das Deutsche etwas so ungemein Edles und Erhabenes (P. II, 572.) Der pedantische Purismus jedoch, die Deutschtümelei und Deutschmichelei, die alle Fremdwörter, namentlich die termini technici der Wissenschaften, verdeutschen will, ist zu verwerfen. (W. II, 134—136. P. II, 602)
Lichtenberg hat über hundert deutsche Ausdrücke für Betrunkensein aufgezählt; kein Wunder, da die Deutschen von jeher als Säufer berühmt waren. Aber merkwürdig ist, dass in der Sprache der für die ehrlichste von allen geltenden deutschen Nation vielleicht mehr, als in irgend einer andern, Ausdrücke für Betrügen sind; und zwar haben sie meistens einen triumphierenden Anstrich, vielleicht weil man die Sache für sehr schwer hielt; z. B. Hintergehen, Anführen, Beschuppen, Beschummeln u. s. w. (H. 386 fg.)

3) Die deutsche Philosophie und Wissenschaft.

Die von Kant hervorgebrachte Umwandlung der Philosophie begründet in mancher Hinsicht einen Fundamentalunterschied zwischen deutscher und anderer europäischer Bildung. (N. 109.)
In der Naturwissenschaft stehen die Deutschen in Folge des verderblichen Einflusses der Schellingschen, a priori konstruierenden Naturphilosophie zurück hinter den Franzosen, die, mit ihrer redlichen Empirie, bestrebt sind, nur von der Natur zu lernen und ihren Gang zu erforschen, nicht aber ihr Gesetze vorzuschreiben. (P. II, 62 fg.)

4) Der deutsche Gelehrte.

Der deutsche Gelehrte ist zu arm, um redlich und ehrenhaft sein zu können. Daher ist drehen, winden, sich akkommodieren und seine Überzeugung verleugnen, lehren und schreiben, was er nicht glaubt, kriechen, schmeicheln, Partei machen und Kameradschaft schließen u. s. w., kurz Alles eher, als die Wahrheit sein Gang und seine Methode. Er wird dadurch meistens ein rücksichtsvoller Lump. (P. II, 518.)

5) Die deutsche Verfassung.

Dem deutschen Volke ist sein Geteiltsein in viele Stämme, die unter eben so vielen, wirklich regierenden Fürsten stehen, mit einem Kaiser über Alle, der den Frieden im Inneren wahrt und des Reiches Einheit nach außen vertritt, natürlich; weil aus seinem Charakter und seinen Verhältnissen hervorgegangen. Deshalb ist die deutsche Kaiserwürde, und zwar möglichst effektiv, wiederherzustellen. Denn an ihr hängt die deutsche Einheit und wird ohne sie stets bloß nominell oder prekär sein. (P. II, 273.)