Denkmale.
1) Wert der historischen Denkmale.
Was die Vernunft dem Individuum ist, das ist die Geschichte dem menschlichen Geschlechte, nämlich die Bedingung eines besonnenen und zusammenhängenden, nicht auf die bloße Gegenwart beschränkten Bewusstseins. (S. Geschichte.) Was nun für die Vernunft der Individuen, als unumgängliche Bedingung des Gebrauchs derselben, die Sprache ist, das ist für die Vernunft des ganzen Geschlechts, für die Geschichte, die Schrift. Die Schrift nämlich dient, das durch den Tod unaufhörlich unterbrochene und demnach zerstückelte Bewusstsein des Menschengeschlechts wieder zur Einheit herzustellen; so dass der Gedanke, welcher im Ahnherrn aufgestiegen, vom Urenkel zu Ende gedacht wird. Hierauf beruht der Wert der geschriebenen, so wie auch der noch älteren steinernen Denkmale. Der Zweck der großen, mit ungeheurem Aufwand errichteten steinernen Denkmale, der Pyramiden, Monolithen, Felsengräber, Obelisken u. s. w., kann kein ephemerer gewesen sein. Offenbar war ihr wirklicher Zweck, zu den spätesten Nachkommen zu reden, in Beziehung zu diesen zu treten und so das Bewusstsein der Menschheit zur Einheit herzustellen. Und nicht bloß den Bauten der Hindu, Ägypter, Griechen und Römer, sondern auch denen der späteren Zeit sieht man den Drang an, zur Nachkommenschaft zu reden. Daher ist es schändlich, wenn man sie zerstört, oder sie verunstaltet, um sie niedrigen, nützlichen Zwecken dienen zu lassen. Die geschriebenen Denkmale haben weniger von den Elementen, aber mehr von der Barbarei zu fürchten, als die steinernen; sie leisten viel mehr. (W. II, 508 fg.)2) Bemerkungen über die den großen Männern errichteten Denkmale.
Über das Verdienst großer Männer vermögen die meisten Menschen nicht aus eigenen Mitteln, sondern bloß auf fremde Auktorität zu urteilen. Und dies ist noch für ein Glück zu erachten, da, indem Jeder noch so viel eigenes Urteil hat, um die Superiorität des zunächst über ihm Stehenden anzuerkennen, jene Hierarchie der Urteile zu Stande kommt, auf der die Möglichkeit des festen und weitreichenden Ruhms beruht. Für die unterste Klasse, der die Verdienste eines großen Geistes ganz unzugänglich sind, ist am Ende bloß das Monument, als welches in ihr, durch einen sinnlichen Eindruck, eine dumpfe Ahndung davon erregt. (P. II, 494.)
Es ist geschmacklos — wie in unserer Zeit geschieht — auf den
Monumenten, welche man großen Männern errichtet, diese im modernen
Kostüm darzustellen. Denn das Monument wird der idealen Person
errichtet, nicht der realen, dem Heros als solchem, nicht dem mit
Fehlern und Schwächen behafteten Individuum. Als idealer Mensch
nun aber stehe er da in Menschengestalt, bloß nach Weise der Alten
bekleidet. So allein ist es auch der Skulptur gemäß. (P. II, 483.)
Eine augenfällige Abgeschmacktheit ist es ferner, die Statue auf ein
zehn bis zwanzig Fuß hohes Postament zu stellen, wo man sie, zumal
sie in der Regel von Bronze, also schwärzlich ist, nicht deutlich sehen
kann; denn aus der Ferne gesehen wird sie nicht deutlich, tritt man
aber näher, so steigt sie so hoch auf, dass sie den hellen Himmel zum
Hintergrund hat, der das Auge blendet. Die Deutschen stehen in
diesem Punkte hinter den Italienern an gutem Geschmack zurück.
(P. II, 483.)