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Schopenhauers Kosmos

 

 Chemie.

1) Was die Chemie lehrt.

Die Chemie lehrt uns, wie der Naturwille sich benimmt, wann die inneren Qualitäten der Stoffe, durch den herbeigeführten Zustand der Flüssigkeit, freies Spiel erhalten, und nun jenes wunderbare Suchen und Fliehen, sich Trennen und Vereinen, Fahrenlassen des Einen, um das Andere zu ergreifen, wovon jeder Niederschlag zeugt, auftritt, welches Alles man als Wahlverwandtschaft bezeichnet. (W. II, 337.)

2) Chemische Antinomie.

Die Chemiker suchen unter der Voraussetzung, dass die qualitative Teilung der Materie nicht, wie die quantitative, ins Unendliche gehen wird, die Zahl ihrer Grundstoffe immer mehr zu verringern, und wären sie bis auf zwei gekommen, so würden sie diese auf einen zurückführen wollen. Denn das Gesetz der Homogenität leitet auf die Voraussetzung eines ersten chemischen Zustandes der Materie, der allen anderen, als welche nicht der Materie als solcher wesentlich, sondern nur zufällige Formen, Qualitäten sind, vorhergegangen ist und allein der Materie als solcher zukommt. Andererseits ist nicht einzusehen, wie dieser, da doch kein zweiter, um auf ihn zu wirken, da war, je eine chemische Veränderung erfahren konnte; wodurch hier im Chemischen dieselbe Verlegenheit eintritt, auf welche im Mechanischen Epikuros stieß, als er anzugeben hatte, wie zuerst das eine Atom aus der ursprünglichen Richtung seiner Bewegung kam; ja, dieser sich ganz von selbst entwickelnde und weder zu vermeidende, noch aufzulösende Widerspruch könnte ganz eigentlich als eine chemische Antinomie aufgestellt werden. (W. I, 34 fg.)

3) Die chemischen Atome.

Siehe Atom. Atomistik.

4) Chemische Auflösung.

Chemische Auflösung ist Überwindung der Kohäsion durch die Verwandtschaft. Beides sind qualitates occultae. (P. II, 122.)

5) Unzulänglichkeit der Chemie zur Erklärung des Organischen.

So wenig, als ein Chemisches auf ein Mechanisches, ebenso wenig lässt sich ein Organisches auf ein Chemisches zurückführen. (W. I, 35.) Es ist Unverstand, die Lebenskraft abzuleugnen und die organische Natur zu einem zufälligen Spiele chemischer Kräfte zu erniedrigen. Den Herren vom Tiegel und der Retorte muss beigebracht werden, dass bloße Chemie wohl zum Apotheker, aber nicht zum Philosophen befähigt. Es ist ein hoher Grad von Betörung, ernstlich zu vermeinen, der Schlüssel zu dem Mysterium des Wesens und Daseins dieser bewundernswürdigen und geheimnisvollen Welt sei in den armseligen chemischen Verwandtschaften gefunden. Wahrlich der Wahn der Alchemisten, welche den Stein der Weisen suchten und bloß hofften, Gold zu machen, war Kleinigkeit, verglichen mit dem Wahn unserer physiologischen Chemiker. (N. Vorrede S. VI. — Vergl. auch Leben, Lebenskraft.)