1) Verschiedenheit des Bildes der selben Aussicht in
verschiedenen Köpfen.
Vermöge der Intellektualität der Anschauung (s. unter
Anschauung:
Intellektualität der Anschauung) ist auch der Anblick schöner Gegenstände,
z. B. einer schönen Aussicht, ein Gehirnphänomen. Die
Reinheit und Vollkommenheit desselben hängt daher nicht bloß vom
Objekt ab, sondern auch von der Beschaffenheit des Gehirns, nämlich
von der Form und Größe desselben, von der Feinheit seiner Textur
und von der Belebung seiner Tätigkeit durch die Energie des Pulses
der Gehirnadern. Demnach fällt gewiss das Bild der selben Aussicht
in verschiedenen Köpfen, auch bei gleicher Schärfe ihrer Augen, so verschieden
aus, wie etwa der erste und letzte Abdruck einer stark gebrauchten
Kupferplatte. Hierauf beruht die große Verschiedenheit der
Fähigkeit zum Genuss der schönen Natur und folglich auch zum Nachbilden
derselben durch die Kunst. (
W. II, 29.)
2) Wirkung der schönen Aussicht auf den Geist.
Der Anblick der schönen Natur wirkt durch das Harmonische ihres
Eindrucks läuternd auf unser gesamtes Denken. Eine schöne Aussicht
ist daher ein Kathartikon des Geistes, wie die Musik, nach
Aristoteles,
des Gemüts, und in ihrer Gegenwart wird man am richtigsten denken.
(
W. II, 459 fg.)