1) Ob das Atemholen zu den willkürlichen oder unwillkürlichen
Bewegungen gehöre.
Man könnte versucht werden, das Atemholen als ein Mittelglied
zwischen den willkürlichen, d. h. auf Motiv, und den unwillkürlichen,
d. h. auf Reiz erfolgenden Bewegungen anzusehen.
Marshall
Hall erklärt es für eine gemischte Funktion, da es unter dem Einfluss
teils der Zerebral- (willkürlichen), teils der Spinal- (unwillkürlichen)
Nerven steht. Indessen müssen wir es zuletzt doch den auf Motiv
erfolgenden Willensäußerungen beizählen; denn andere Motive, d. h. bloße
Vorstellungen, können den Willen bestimmen, es zu hemmen oder zu
beschleunigen, und es hat, wie jede andere willkürliche Handlung, den
Schein, dass man es ganz unterlassen könnte und frei ersticken. Dies
könnte man auch in der Tat, sobald irgend ein anderes Motiv den
Willen so stark bestimmte, dass es das dringende Bedürfnis nach Luft
überwöge. Einige sollen wirklich auf diese Weise ihrem Leben ein
Ende gemacht haben. Für das wenigstens teilweise Bedingtsein des
Atmens durch zerebrale Tätigkeit spricht die Tatsache, dass Blausäure
zunächst dadurch tötet, dass sie das Gehirn lähmt und so mittelbar
das Atmen hemmt; wird aber dieses künstlich unterhalten, bis
jene Betäubung des Gehirns vorüber ist, so tritt gar kein Tod ein.
(
W. I, 138 fg.)
2) Erklärung des Abnehmens der Respiration im
Schlafe und bei geistiger Anstrengung.
Dass die Respiration im Schlafe abnimmt, ist daraus zu erklären,
dass sie eine kombinierte Funktion ist, d. h. zum Teil von Spinalnerven
ausgeht und soweit Reflexbewegung ist, die als solche auch im
Schlafe fortdauert, zum Teil aber von Gehirnnerven ausgeht und daher
von der Willkür unterstützt wird, deren Pausieren im Schlafe die
Respiration verlangsamt und auch das Schnarchen veranlasst. Aus
diesem Anteil der Gehirnnerven an der Respiration ist es auch zu
erklären, dass, bei Sammlung der Gehirntätigkeit zum angestrengten
Nachdenken oder Lesen, die Respiration leiser und langsamer wird.
(
P. II, 177.)
3) Der Atmungsprozess als erster Anknüpfungspunkt
des Lebens des tierischen Organismus an die Außenwelt.
Man würde den lebenden tierischen Organismus ansehen können als
eine ohne äußere Ursache sich bewegende Maschine, als eine Reihe
von Bewegungen ohne Anfang, eine Kette von Ursachen und Wirkungen,
deren keine die erste wäre, wenn das Leben seinen Gang ginge, ohne
an die Außenwelt anzuknüpfen. Aber dieser Anknüpfungspunkt ist der
Atmungsprozess; er ist das nächste und wesentlichste Verbindungsglied
mit der Außenwelt und gibt den ersten Anstoß. Daher muss die
Bewegung des Lebens als von ihm ausgehend und er als das erste
Glied der Kausalkette gedacht werden. Demnach tritt als erster Impuls,
also als erste äußere Ursache des Lebens, ein wenig Luft auf,
welche, eindringend und oxydierend, fernere Prozesse einleitet und so das
Leben zur Folge hat. Was nun aber dieser äußeren Ursache von
Innen entgegen kommt, gibt sich kund als heftiges Verlangen, ja,
unaufhaltsamer Drang, zu Atmen, also unmittelbar als Wille.
(
P. II, 178.)