Armut.
1) Ursprung der Armut.
Armut und Sklaverei sind nur zwei Formen, fast möchte man sagen zwei Namen der selben Sache, deren Wesen darin besteht, dass die Kräfte eines Menschen großenteils nicht für ihn selbst, sondern für Andere verwendet werden, woraus für ihn teils Überladung mit Arbeit, teils kärgliche Befriedigung seiner Bedürfnisse hervorgeht. Denn die Natur hat dem Menschen nur so viel Kräfte gegeben, dass er, unter mäßiger Anstrengung derselben, seinen Unterhalt der Erde abgewinnen kann; großen Überschuss von Kräften hat er nicht erhalten. Nimmt man nun die gemeinsame Last der physischen Erhaltung des Menschengeschlechts einem nicht ganz unbeträchtlichen Teile desselben ab, so wird dadurch der übrige übermäßig belastet und ist elend. So zunächst entspringt also jenes Übel, welches, entweder unter dem Namen der Sklaverei, oder unter dem des Proletariats, jederzeit aus der großen Mehrzahl des Menschengeschlechts gelastet hat. Die entferntere Ursache desselben aber ist der Luxus (s. Luxus). — Zwischen Armut und Sklaverei ist der Fundamentalunterschied, dass Sklaven ihren Ursprung der Gewalt, Arme der List zuzuschreiben haben. (P. II, 261 fg.)2) Die Armut in ethischer Hinsicht.
Der Arme, der vermöge der Ungleichheit des Besitzes sich zu Mangel und schwerer Arbeit verdammt sieht, während Andere vor seinen Augen im Überfluss und Müßiggang leben, wird schwerlich erkennen, dass dieser Ungleichheit eine entsprechende der Verdienste und des redlichen Erwerbs zu Grunde liege. Wenn er aber dies nicht erkennt, woher soll er dann den rein ethischen Antrieb zur Ehrlichkeit nehmen, der ihn abhält, seine Hand nach dem fremden Überfluss auszustrecken? Meistens ist es die gesetzliche Ordnung, die ihn zurückhält. In Fällen aber, wo er vor der Wirkung des Gesetzes gesichert, sich in den Besitz des fremden Gutes setzen kann, wird in der Regel nicht religiöser Glaube oder gar ein rein moralisches Motiv ihn von der Ungerechtigkeit abhalten, sondern nur noch die auch dem geringen Manne sehr angelegene Sorge für den guten Namen, also die bürgerliche Ehre. (E. 189 fg.)
Eine ethische Eigentümlichkeit der Armen ist es, dass sie, zu Wohlstand
gelangt, weit geneigter zur Verschwendung sind, als die im
Wohlstande Geborenen und Gebliebenen. Der Grund ist dieser, dass
Dem, der in angestammtem Reichtum geboren ist, dieser als etwas
unentbehrliches erscheint; daher er meistens vorsichtig und sparsam ist.
Dem in angestammter Armut Geborenen hingegen erscheint diese als
der natürliche Zustand, der ihm danach irgendwie zugefallene Reichtum
aber als etwas Überflüssiges, bloß tauglich zum Genießen und Verprassen,
indem man, wenn er fort ist, sich so gut wie vorher ohne ihn
behilft. Dazu kommt noch das übergroße Zutrauen solcher Leute teils
zum Schicksal, teils zu den eigenen Mitteln, die ihnen schon aus
Not und Armut herausgeholfen haben. (P. I, 368 fg.)