Arithmetik.
1) Worauf die Arithmetik beruht.
Die Arithmetik beruht auf der apriorischen Anschauung der Zeit, in welcher, da die Zeit nur eine Dimension hat, jeder gegenwärtige Augenblick bedingt ist durch den vorangegangenen. Auf der apriorischen Einsicht in diesen Nexus der Teile der Zeit beruht alles Zählen, dessen Worte nur dienen, die einzelnen Schritte der Sukzession zu markieren; folglich auch die ganze Arithmetik, die durchweg nichts Anderes, als methodische Abkürzungen des Zählens lehrt. Jede Zahl setzt die vorhergehenden als Gründe ihres Seins voraus; zur Zehn kann ich nur gelangen durch alle vorhergehenden, und bloß vermöge dieser Einsicht in den Seinsgrund (s. Seinsgrund unter Grund) weiß ich, dass wo Zehn sind, auch Acht, Sechs, Vier sind. (G. 133. W. I, 90.)2) Beweis, dass die Arithmetik auf der reinen Anschauung der Zeit beruht.
Dass die Arithmetik auf der reinen (apriorischen) Anschauung der Zeit beruhe, ist zwar nicht so augenfällig, wie dass die Geometrie auf der des Raumes basiert sei. Man kann es aber auf folgende Art beweisen. Alles Zählen besteht im wiederholten Setzen der Einheit. Bloß um stets zu wissen, wie oft wir schon die Einheit gesetzt haben, markieren wir sie jedes Mal mit einem anderen Wort; dies sind die Zahlworte. Nun ist aber Wiederholung nur möglich durch Sukzession, diese aber, also das Nacheinander, beruht unmittelbar auf der Anschauung der Zeit, ist ein nur mittelst dieser verständlicher Begriff. Folglich ist auch das Zählen nur mittelst der Zeit möglich. (W. II, 40.)3) Vorzug der Arithmetik vor allen anderen Wissenschaften.
Die Arithmetik übertrifft in Klarheit und Genauigkeit alle andern Wissenschaften, was sich daraus erklärt, dass die Zeit das einfache, nur das Wesentliche enthaltende Schema aller Gestaltungen des Satzes vom Grunde ist. Alle Wissenschaften nämlich beruhen auf dem Satze vom Grunde, indem sie durchweg Verknüpfungen von Gründen und Folgen sind. Die Zahlenreihe nun aber ist die einfache und alleinige Reihe der Seinsgründe und Folgen in der Zeit. Wegen dieser vollkommenen Einfachheit, indem nichts ihr zur Seite liegen bleibt, noch irgendwo unbestimmte Beziehungen sind, lässt sie an Genauigkeit, Apodiktizität und Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Hierin stehen alle andern Wissenschaften ihr nach, sogar die Geometrie, weil aus den drei Dimensionen des Raumes so viele Beziehungen hervorgehen, dass die Übersicht derselben sowohl der reinen, wie der empirischen Anschauung zu schwer fällt; daher die komplizierten Aufgaben der Geometrie nur durch Rechnung gelöst werden, die Geometrie also eilt, sich in Arithmetik aufzulösen. (G. 151.)
Unsere unmittelbare Anschauung der Zahlen in der Zeit reicht zwar
nicht weiter als etwa bis Zehn; darüber hinaus muss schon ein abstrakter
Begriff der Zahl, durch ein Wort fixiert, die Stelle der Anschauung
vertreten, welche daher nicht mehr wirklich vollzogen, sondern
nur ganz bestimmt bezeichnet wird. Jedoch ist selbst so, durch das
wichtige Hilfsmittel der Zahlenordnung, welche größere Zahlen immer
durch dieselben kleinen repräsentieren lässt, eine anschauliche Evidenz jeder
Rechnung möglich gemacht, sogar da, wo man die Abstraktion so sehr
zu Hilfe nimmt, dass nicht nur die Zahlen, sondern unbestimmte Größen
und ganze Operationen nur in abstrakto gedacht und in dieser Hinsicht
bezeichnet werden. (W. I, 90.)
4) Untergeordneter Rang der arithmetischen Geistestätigkeit.
Dass die niedrigste aller Geistestätigkeiten die arithmetische sei, wird dadurch belegt, dass sie die einzige ist, welche auch durch eine Maschine ausgeführt werden kann. (P. II, 52.)
Rechnen ist nicht Verstehen und liefert an sich kein Verständnis
der Sachen. Rechnungen haben bloß Wert für die Praxis, nicht
für die Theorie. Sogar kann man sagen: wo das Rechnen anfängt,
hört das Verstehen auf. Denn der mit Zahlen beschäftigte
Kopf ist, während er rechnet, dem kausalen Zusammenhang des physischen
Hergangs gänzlich entfremdet, er steckt in lauter abstrakten Zahlbegriffen.
Das Resultat aber besagt nie mehr, als Wie viel, nie Was. (G. 77.)