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Schopenhauers Kosmos

 

 Ruhm. Nachruhm.

1) Zu welchen Güteren der Ruhm gehört.

Der Ruhm gehört zu denjenigen Güteren des menschlichen Lebens, die in dem bestehen, was wir in der Welt vorstellen, d. h. in den Augen Anderer sind. Dieses lässt sich nämlich einteilen in Ehre, Rang und Ruhm. (P. I, 382. Vergl. Güter.)

2) Gegensatz zwischen Ehre und Ruhm.

(S. Ehre.)

3) Zwei Wege zum Ruhm.

Nur durch außerordentliche Leistungen wird Ruhm erlangt. Diese nun sind entweder Taten, oder Werke. Demnach stehen zum Ruhm zwei Wege offen. Zum Wege der Taten befähigt vorzüglich das große Herz, zu dem der Werke der große Kopf. Jeder der beiden Wege hat seine eigenen Vorteile und Nachteile. Der Hauptunterschied ist, dass die Taten vorübergehen, die Werke bleiben. (P. I, 416 ff.)

4) Schwierigkeit der Erlangung des Ruhms.

(S. unter Beifall: Warum die Werte des Genies so schwer Beifall finden, und unter Genie: Nachteile der Genialität.)

5) Wert des Ruhms.

Der Ruhm beruht eigentlich auf Dem, was Einer im Vergleich mit den Übrigen ist. Demnach ist er wesentlich ein Relatives, kann daher auch nur relativen Wert haben. Er fiele ganz weg, wenn die Übrigen würden, was der Gerühmte ist. Absoluten Wert kann nur Das haben, was ihn unter allen Umständen behält, also hier, was Einer unmittelbar und für sich selbst ist; folglich muss hierin der Wert und das Glück des großen Herzens und des großen Kopfes liegen. Also nicht der Ruhm, sondern Das, wodurch man ihn verdient, ist das Wertvolle. Denn es ist gleichsam die Substanz und der Ruhm nur das Accidens der Sache. (P. I, 422.) In eudämonologischer Hinsicht ist der Ruhm nichts weiter, als der seltenste und köstlichste Bissen für unseren Stolz und unsere Eitelkeit. (P. I, 423.) Da unstreitig der Ruhm nur das Sekundäre ist, das bloße Echo, Abbild, Schatten, Symptom des Verdienstes, und da jedenfalls das Bewunderte mehr Wert haben muss, als die Bewunderung; so kann das eigentlich Beglückende nicht im Ruhm liegen, sondern in Dem, wodurch man ihn erlangt, also im Verdienste selbst, oder, genauer zu reden, in der Gesinnung und den Fähigkeiten, aus denen es hervorging. (P. I, 424. W. II, 440.)

6) Unverlierbarkeit des echten Ruhms.

So schwer es ist, den Ruhm zu erlangen, so leicht ist es, ihn zu behalten. Der Ruhm kann eigentlich nie verloren gehen; denn die Tat, oder das Werk, durch die er erlangt worden, stehen für immer fest, und der Ruhm derselben bleibt ihrem Urheber, auch wenn er keinen neuen hinzufügt. Wenn jedoch der Ruhm wirklich verklingt, wenn er überlebt wird; so war er unecht, d. h. unverdient, durch augenblickliche Überschätzung entstanden, wo nicht gar durch absichtliches Ausposaunen. (P. I, 421 fg.; II, 498.)

7) Der unverdiente, schnelle und falsche Ruhm.

Beim falschen, d. i. unverdienten Ruhm, ist das Bewunderte der Bewunderung nicht wert. Sein Besitzer muss an ihm zehren, ohne Das, wovon derselbe das Symptom, der bloße Abglanz sein solle, wirklich zu haben. Dieser Ruhm muss ihm oft verleidet werden, wenn bisweilen trotz aller aus der Eigenliebe entspringenden Selbsttäuschung ihm auf der Höhe, für die er nicht geeignet ist, doch schwindelt, oder ihm zu Mute wird, als wäre er ein kupferner Dukaten; wo denn die Angst vor Enthüllung und verdienter Demütigung ihn ergreift, zumal wenn er auf den Stirnen der Mitmenschen das Urteil der Nachwelt liest. Er gleicht sonach dem Besitzer durch ein falsches Testament. (P. I, 425.)
Es ist leicht begreiflich, dass ein Ruhm, der schnell erfolgt, auch früh erlischt, und auch hier es heißt quod cito fit, cito perit; indem Leistungen, deren Wert der gewöhnliche Menschenschlag so leicht erkennen und die Mitbewerber so willig gelten lassen konnten, auch nicht sehr hoch über dem Hervorbringungsvermögen Beider stehen werden. Zudem ist schon wegen des Gesetzes der Homogenität (s. unter Beifall: Quelle des Beifalls) ein schnell eintretender Ruhm ein verdächtiges Zeichen; er ist nämlich der direkte Beifall der Menge. Aus umgekehrten Gründen wird ein Ruhm, der von langem Bestand sein soll, sehr spät reifen, und die Jahrhunderte seiner Dauer müssen meistens mit dem Beifall der Zeitgenossen erkauft werden. Denn was so anhaltend in Geltung bleiben soll, muss eine schwer zu erlangende Trefflichkeit haben, welche auch nur zu erkennen schon Köpfe erfordert, die nicht jederzeit da sind, am wenigsten in hinreichender Anzahl, um sich vernehmbar machen zu können. Mäßige Verdienste hingegen, die bald anerkannt werden, laufen dafür Gefahr, dass ihr Besitzer sie und sich überlebt, so dass für den Ruhm in der Jugend ihm Obskurität im Alter zu Teil wird; während, bei großen Verdiensten, man umgekehrt lange obskur bleiben, dafür aber im Alter glänzenden Ruhm erlangen wird. (P. II, 499.)
In der Regel wird der Ruhm, je länger er zu dauern hat, desto später eintreten, wie ja alles Vorzügliche langsam heranreift. Der Ruhm, welcher zum Nachruhm werden will, gleicht einer Eiche, die aus ihrem Samen sehr langsam emporwächst, der leichte, ephemere Ruhm den einjährigen, schnell wachsenden Pflanzen und der falsche Ruhm gar dem schnell hervorschießenden Unkraut, das schleunigst ausgerottet wird. (P. I, 418.)
Der falsche, nämlich der künstliche, durch ungerechtes Lob, gute Freunde, bestochene Kritiker, Winke von oben und Verabredungen von unten, bei richtig vorausgesetzter Urteilslosigkeit der Menge, auf die Beine gebrachte Ruhm eines Werkes gleicht den Ochsenblasen, durch die man einen schweren Körper zum Schwimmen bringt. Sie tragen ihn längere oder kürzere Zeit, je nachdem sie aufgebläht und fest zugeschnürt sind; aber die Luft transsudiert allmählich doch, und er sinkt. Dies ist das unvermeidliche Los der Werke, welche die Quelle ihres Ruhms nicht in sich haben. Das falsche Lob verhallt, die Verabredungen sterben aus, der Kenner findet den Ruhm nicht bestätigt, dieser erlischt, und eine desto größere Geringschätzung tritt an seine Stelle. Hingegen die echten Werke, welche die Quelle ihres Ruhms in sich haben, und daher zu jeder Zeit die Bewunderung von Neuem zu entzünden vermögen, gleichen den spezifisch leichteren Körpern, die aus eigenen Mitteln sich stets oben erhalten, und so gehen sie den Strom der Zeit hinab. (P. II, 501.)

8) Warum der Ruhm vor Denen flieht, die ihn suchen.

Wer das Gute und Rechte hervorbringen und das Schlechte vermeiden soll, muss dem Urteile der Menge und ihrer Wortführer Trotz bieten, mithin sie verachten. Hierauf beruht die Richtigkeit der Bemerkung, dass der Ruhm vor Denen flieht, die ihn suchen, und Denen folgt, die ihn vernachlässigen; denn Jene bequemen sich dem Geschmack der Zeitgenossen an. Diese trotzen ihm. (P. I, 421. H. 464.)

9) Gegensatz zwischen dem Ruhm bei den Zeitgenossen und dem Ruhm bei der Nachwelt.

Wenn man das Lob der Zeitgenossen aller Zeiten überhaupt ins Auge fasst, wird man finden, dass dasselbe eigentlich immer eine Hure ist, prostituiert und besudelt durch tausend Unwürdige, denen es zu Teil geworden. Hingegen ist der Ruhm bei der Nachwelt eine stolze, spröde Schöne, die sich nur dem Würdigen, dem Sieger, dem seltenen Helden hingibt. (P. II, 503 fg.)
Die Art, wie der Beifall der Zeitgenossen entsteht (vergl. unter Beifall: Geringer Wert des Beifalls der Zeitgenossen), macht es erklärlich, warum der Ruhm der Zeitgenossen so selten die Metamorphose in Nachruhm erlebt. (P. I, 426.)

10) Inkompatibilität des Ruhms mit der räumlichen und zeitlichen Nähe der Person.

Für den Berühmten läuft der Unterschied zwischen dem Ruhm bei der Mitwelt und dem bei der Nachwelt am Ende bloß darauf hinaus, dass beim ersten seine Verehrer von ihm durch den Raum, beim andern durch die Zeit getrennt sind. Denn unter den Augen hat er sie, auch beim Ruhm der Mitwelt, in der Regel nicht. Die Verehrung verträgt nämlich nicht die Nähe, sondern hält sich fast immer in der Ferne auf, weil sie, bei persönlicher Gegenwart des Verehrten, wie Butter an der Sonne schmilzt. Über diese Inkompatibilität der Verehrung mit der persönlichen Anwesenheit und des Ruhms mit dem Leben haben wir einen schönen lateinischen Brief des Petrarca. (P. II 509 fg.)

11) Der Wunsch und die Antizipation des Nachruhms.

Der Wunsch, den Jeder hat, dass man nach seinem Tode seiner gedenken möge, und der sich bei den Hochstrebenden zu dem Wunsche des Nachruhms steigert, scheint aus der Anhänglichkeit am Leben zu entspringen, die, wenn sie sich von jeder Möglichkeit des realen Daseins abgeschnitten sieht, jetzt nach dem allein noch vorhandenen, wenngleich nur idealen, also nach einem Schatten greift. (P. II, 620.)
Das echte, große Verdienst ist im Stande, seinen Ruhm bei der Nachwelt mit Sicherheit zu antizipieren. Ja, wer einen wirklich großen Gedanken erzeugt, wird schon im Augenblick der Konzeption desselben seines Zusammenhanges mit den kommenden Geschlechtern inne; so dass er dabei die Ausdehnung seines Daseins durch Jahrhunderte fühlt und auf diese Weise, wie für die Nachkommen, so auch mit ihnen lebt. (P. II, 510.)

12) Wert des Nachruhms.

Da nicht im Ruhm, sondern in Dem, wodurch man ihn erlangt, der Wert liegt und in der Zeugung unsterblicher Kinder der Genuss, so sind Die, welche die Nichtigkeit des Nachruhms daraus zu beweisen suchen, dass, wer ihn erlangt, nichts davon erfährt, dem Klügling zu vergleichen, der einem Manne, welcher auf einen Haufen Austernschalen im Hofe seines Nachbars neidische Blicke wirft, sehr weise die gänzliche Unbrauchbarkeit derselben demonstrieren wollte. (W. II, 440.)
Den echtesten Ruhm, den Nachruhm, vernimmt sein Gegenstand nie, und doch schätzt man ihn glücklich. Also bestand sein Glück in den großen Eigenschaften selbst, die ihm den Ruhm erwarben, und darin, dass er Gelegenheit fand, sie zu entwickeln, also dass ihm vergönnt wurde, zu handeln, wie es ihm angemessen war, oder zu treiben, was er mit Lust und Liebe trieb; denn nur, die aus dieser entsprungenen Werke erlangen Nachruhm. Sein Glück bestand also in seinem großen Herzen oder auch im Reichtum eines Geistes, dessen Abdruck in seinen Werken die Bewunderung kommender Jahrhunderte erhält. Der Wert des Nachruhms liegt also im Verdienen desselben, und dieses ist sein eigener Lohn. (P. I, 425.)