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Schopenhauers Kosmos

 

 Pantheismus.

1) Ursprung des Pantheismus.

Der Pantheismus setzt den Theismus, als ihm vorhergegangen, voraus; denn nur sofern man von einem Gott ausgeht, also ihn schon vorweg hat und mit ihm vertraut ist, kann man zuletzt dahinkommen, ihn mit der Welt zu identifizieren, eigentlich um ihn auf eine anständige Weise zu beseitigen. Man ist nämlich nicht unbefangen von der Welt, als dem zu Erklärenden, ausgegangen, sondern von Gott als dem Gegebenen; nachdem man aber bald mit diesem nicht mehr wusste wohin, da hat die Welt seine Rolle übernehmen sollen. Dies ist der Ursprung des Pantheismus. Denn von vorne herein und unbefangenerweise diese Welt für einen Gott anzusehen, wird Keinem einfallen. (P. II, 106.)

2) Pantheismus ist nur ein höflicher Atheismus.

Das Wort Pantheismus enthält eigentlich einen Widerspruch, bezeichnet einen sich selbst aufhebenden Begriff, der daher von Denen, welche Ernst verstehen, nie anders genommen worden ist, denn als eine höfliche Wendung; weshalb es auch den geistreichen und scharfsinnigen Philosophen des vorigen Jahrhunderts nie eingefallen ist, den Spinoza deswegen, weil er die Welt Deus nennt, für keinen Atheisten zu halten. (N. 132.) Spinoza hatte besondere Gründe, seine alleinige Substanz Gott zu benennen, um nämlich wenigstens das Wort, wenn auch nicht die Sache, zu retten. Giordano Bruno's und Vanini's Scheiterhaufen waren noch in frischem Andenken. Wenn daher Spinoza die Welt Gott benennt; so ist es gerade nur so, wie wenn Rousseau im Contrat social stets und durchgängig mit dem Wort le souverain das Volk bezeichnet; auch könnte man es damit vergleichen, dass einst ein Fürst, welcher beabsichtigte, in seinem Lande den Adel abzuschaffen, auf den Gedanken kam, um Keinem das Seine zu nehmen, alle seine Untertanen zu adeln. (W. II, 399. H. 320.)
Gott und die Welt ist Eins — ist bloß eine höfliche Wendung, dem Herrgott den Abschied zu geben. (H. 441.) Der Pantheismus ist nur ein höflicher Atheismus. (H. 320.)
Pantheismus ist ein sich selbst aufhebender Begriff; weil der Begriff eines Gottes eine von ihm verschiedene Welt, als wesentliches Korrelat desselben, voraussetzt. Soll hingegen die Welt selbst seine Rolle übernehmen; so bleibt eben eine absolute Welt, ohne Gott; daher Pantheismus nur eine Euphemie für Atheismus ist. (H. I, 124.)

3) Die Wahrheit des Pantheismus.

Die Wahrheit des Pantheismus besteht in der All-eins-Lehre, dem εν και παν (vergl. All-eins-Lehre), in der Aufhebung des dualistischen Gegensatzes zwischen Gott und Welt, in der Erkenntnis, dass die Welt aus ihrer inneren Kraft und durch sich selbst da ist. (W. II, 736—739.)

4) Die Fehler des Pantheismus.

a) Der Pantheismus lässt die Welt unerklärt.

Gegen den Pantheismus ist hauptsächlich Dieses einzuwenden, dass er nichts besagt. Die Welt Gott nennen, heißt nicht sie erklären, sondern nur die Sprache mit einem überflüssigen Synonym des Wortes Welt bereichern. Ob man sagt die Welt ist Gott oder die Welt ist die Welt läuft auf Eins hinaus. Zwar wenn man dabei vom Gott, als wäre er das Gegebene und zu Erklärende ausgeht, also sagt: Gott ist die Welt; da gibt es gewissermaßen eine Erklärung, sofern es doch ignotum auf notius zurückführt; doch ist es nur eine Worterklärung. Allein wenn man von dem wirklich Gegebenen, also der Welt ausgeht, und nun sagt: die Welt ist Gott, da liegt am Tage, dass damit nichts gesagt, oder wenigstens ignotum per ignotius erklärt ist. (P. II, 106.)
Der Gott des Pantheismus ist ein x, eine unbekannte Größe. Statt von der Erfahrung und dem natürlichen, Jedem gegebenen Selbstbewusstsein auszugehen und von ihm aus auf das Metaphysische hinzuleiten, also den aufsteigenden, analytischen Gang zu nehmen, gehen die Pantheisten, umgekehrt, den herabsteigenden, den synthetischen; von ihrem θεος, den sie, wenn auch bisweilen unter dem Namen substantia oder Absolutum, erbitten oder ertrotzen, gehen sie aus, und dieses völlig Unbekannte soll dann alles Bekanntere erklären, während doch überall das Unbekannte aus dem Bekannteren zu erklären ist. (W. II, 737 fg.) Die Welt Gott nennen heißt nicht sie erklären; sie bleibt ein Rätsel unter diesem Namen, wie unter jenem. (W. II, 740.)
Den Pantheisten ist die anschauliche Welt, also die Welt als Vorstellung, eine absichtliche Manifestation des ihr innewohnenden Gottes, welches keine eigentliche Erklärung ihres Hervortretens enthält, vielmehr selbst einer bedarf. (W. II, 738.)

b) Der Pantheismus stimmt nicht zur Verwunderung über die Welt.

Im Spinozischen, in unseren Tagen unter modernen Formen und Darstellungen als Pantheismus so oft wieder vorgebrachten Sinn ist die Welt eine absolute Substanz, mithin ein schlechthin notwendiges Wesen, d. h. Etwas, das nicht nur alles wirkliche, sondern auch alles irgend mögliche Dasein in sich begreift, also Etwas, dessen Nichtsein, oder Anderssein völlig undenkbar ist. Wäre dies nun wahr, so müsste unser und der Welt Dasein nebst der Beschaffenheit desselben, weit entfernt, sich uns als auffallend, problematisch ja, als das unergründliche, uns stets beunruhigende Rätsel darzustellen, sich, im Gegenteil, noch viel mehr von selbst verstehen, als dass 2 Mal 2 vier ist. Denn wir müssten gar nicht anders irgend zu denken fähig sein, als dass die Welt sei und so sei, wie sie ist; mithin müssten wir ihres Daseins als solchen, d. h. als eines Problems zum Nachdenken, so wenig uns bewusst werden, als wir die unglaublich schnelle Bewegung unseres Planeten empfinden. Diesem Allen ist nun aber ganz und gar nicht so. (W. II, 188 fg.)

c) Der Pantheismus stimmt nicht zur Beschaffenheit der Welt.

Der vermeinte große Fortschritt vom Theismus zum Pantheismus ist ein Übergang vom Unerwiesenen und schwer Denkbaren zum geradezu Absurden. Denn so undeutlich, schwankend und verworren der Begriff auch sein mag, den man mit dem Worte Gott verbindet; so sind doch zwei Prädikate davon unzertrennlich: die höchste Macht und die höchste Weisheit. Dass nun ein mit diesen ausgerüstetes Wesen sich selbst in eine Welt, wie die vorliegende, eine Welt hungriger und gequälter Wesen, verwandelt haben sollte, ist geradezu ein absurder Gedanke. Der Theismus ist bloß unerwiesen, und wenn es auch schwer denkbar ist, dass die Welt Werk eines persönlichen Wesens sei, so ist es doch nicht geradezu absurd. Denn dass ein allmächtiges und allweises Wesen eine gequälte Welt schaffe, lässt sich immer noch denken, wenngleich wir das Warum nicht kennen. Aber bei der Annahme des Pantheismus ist der schaffende Gott selbst der endlos Gequälte, und zwar aus freien Stücken; das ist absurd. (W. II, 107. P. I, 144.) Dem Pantheismus ist die Welt eine Theophanie. Man sehe sie doch aber nur einmal darauf an, diese Welt beständig bedürftiger Wesen, die bloß dadurch, dass sie einander auffressen, eine Zeit lang bestehen, ihr Dasein unter Angst und Not durchbringen und oft entsetzliche Qualen erdulden, bis sie endlich dem Tode in die Arme stürzen. Wer dies deutlich ins Auge fasst, wird gestehen müssen, dass einen Gott, der sich hätte beigehen lassen, sich in eine solche Welt zu verwandeln, doch wahrlich der Teufel geplagt haben müsste. (W. II, 399. 737.) Die Übel und die Qual der Welt stimmten schon nicht zum Theismus; daher dieser durch allerlei Ausreden, Theodizeen sich zu helfen suchte. Der Pantheismus nun aber ist jenen schlimmen Seiten der Welt gegenüber vollends unhaltbar. (W. II, 676. 737. P. I, 67. 73.)

d) Der Pantheismus ist mit der Moral unvereinbar.

Die Pantheisten können keine ernstlich gemeinte Moral haben; da bei ihnen Alles göttlich und vortrefflich ist. (P. I, 144.) Spinoza versucht zwar stellenweise, sie durch Sophismen zu retten, meistens aber gibt er sie geradezu auf. Aller Pantheismus muss an den unabweisbaren Forderungen der Moral, und nächstdem am Übel und Leiden der Welt, zuletzt scheitern. Ist die Welt eine Theophanie; so ist Alles, was der Mensch, ja auch das Tier tut, gleich göttlich und vortrefflich; nichts kann zu tadeln und nichts vor dem Anderen zu loben sein; also keine Ethik. (W. II, 675.) Nach dem Pantheismus ist die Welt ein Gott, ens perfectissimum, d. h. es kann nichts Besseres geben, noch gedacht werden. Also bedarf es keiner Erlösung daraus; folglich gibt es keine. (W. II, 406. 738.)