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Schopenhauers Kosmos

 

 Logik.

1) Definition der Logik.

Die Logik ist ein Teil der Erkenntnislehre, also der philosophia prima. Diese zerfällt nämlich in die Betrachtung der primären d. i. anschaulichen Vorstellungen, welchen Teil man Dianoiologie oder Verstandeslehre nennen kann, und in die Betrachtung der sekundären, d. i. abstrakten Vorstellungen, nebst der Gesetzmäßigkeit ihrer Handhabung, also Logik oder Vernunftlehre. (P. II, 19.) In der Logik ist der formelle Teil der abstrakten Erkenntnis niedergelegt und dargestellt, und deshalb ist sie von unseren Vätern ganz richtig Vernunftlehre benannt worden. (G. 115.) Die Logik ist eben nur das als ein System von Regeln ausgesprochene natürliche Verfahren der Vernunft selbst. (G. 116.) Die Logik ist das allgemeine, durch Selbstbeobachtung der Vernunft und Abstraktion von allem Inhalt erkannte und in der Form von Regeln ausgedrückte Wissen von der Verfahrensweise der Vernunft. Sie ist die spezielle Kenntnis der Organisation und Aktion der Vernunft. (W. I, 54 fg.) Sie bildet mit der Dialektik und Rhetorik zusammen das Ganze einer Technik der Vernunft. (W. II, 112.) Sie kann nur auf die formale Wahrheit, nicht auf die materielle führen. Sie setzt das Vorhandensein der Begriffe voraus und lehrt nur, wie man regelrecht damit zu operieren habe; sie bleibt dabei immer auf dem Gebiete der Begriffe. Ob es aber in rerum natura Dinge gebe, die diesen Begriffen entsprechen, ob die Begriffe sich auf wirkliche Dinge beziehen, oder bloß willkürlich ersonnen sind, das geht sie nichts an. Darum kann auch bei dem schärfsten und regelrechtesten Denken oft gar kein wahrhafter Gehalt sein und es sich um lauter Chimären drehen. Urteile aus Urteilen ableiten ist Alles was die Logik lehrt und was die Vernunft allein und abgesondert durch sich selbst vermag. (H. 36 fg.)

2) Wert der Logik.

Die Logik kann nie von praktischem Nutzen, sondern nur von theoretischem Interesse für die Philosophie sein. Denn obwohl sich sagen ließe, dass sie sich zum vernünftigen Denken verhält, wie der Generalbass zur Musik, die Ethik zur Tugend, oder die Ästhetik zur Kunst, so ist doch zu bedenken, dass noch kein Künstler es durch Studium der Ästhetik geworden ist, noch ein edler Charakter durch Studium der Ethik, dass lange vor Rameau richtig und schön komponiert wurde, und auch, dass man nicht den Generalbass inne zu haben braucht, um Disharmonie zu bemerken. Ebenso wenig nun braucht man Logik zu wissen, um sich nicht durch Trugschlüsse täuschen zu lassen. Jedoch ist einzuräumen, dass, wenn auch nicht für die Beurteilung, dennoch für die Ausübung der musikalischen Komposition der Generalbass von großem Nutzen ist; sogar auch mögen, wenngleich in geringerem Grade, Ästhetik und selbst Ethik für die Ausübung einigen, wiewohl hauptsächlich negativen Nutzen haben, also auch ihnen nicht aller praktische Wert abzusprechen sein; aber von der Logik lässt sich nicht einmal so viel rühmen. Sie ist nämlich bloß das Wissen in abstrakto dessen, was Jeder in konkreto weiß. Daher, so wenig als man sie braucht, einem falschen Räsonnement nicht beizustimmen, so wenig ruft man ihre Regeln zu Hilfe, um ein richtiges zu machen, und selbst der geschickteste Logiker setzt sie bei seinem wirklichen Denken ganz bei Seite. (W. I, 53 fg.) Praktischen Nutzen wird die Logik, wenigstens für das eigene Denken, nicht haben. Denn die Fehler unseres eigenen Räsonnements liegen fast nie in den Schlüssen, noch sonst in der Form, sondern in den Urteilen, also in der Materie des Denkens. Hingegen können wir bei der Kontroverse bisweilen einigen praktischen Nutzen von der Logik ziehen, indem wir die, aus deutlich oder undeutlich bewusster Absicht trügerische Argumentation des Gegners auf die strenge Form regelmäßiger Schlüsse zurückführen und dann ihre Fehler gegen die Logik nachweisen. (W. II, 113; I, 55. H. 36—38.)
Obgleich die Logik aber ohne praktischen Nutzen ist, so ist sie doch theoretisch interessant und wichtig und muss als philosophische Disziplin beibehalten werden, als spezielle Kenntnis der Organisation und Aktion der Vernunft. (W. I, 54 fg.; II, 113. H. 36.)

3) Wie die Logik zu lehren ist.

Als abgeschlossen für sich bestehende, in sich vollendete, abgerundete und vollkommen sichere Disziplin ist die Logik berechtigt, für sich allein und unabhängig von allen anderen wissenschaftlich abgehandelt und ebenso auf Universitäten gelehrt zu werden; aber ihren eigentlichen Wert erhält sie erst im Zusammenhang der gesamten Philosophie, bei Betrachtung des Erkennens, und zwar des vernünftigen oder abstrakten Erkennens. Demgemäß sollte ihr Vortrag nicht so sehr die Form einer auf das Praktische gerichteten Wissenschaft haben, als vielmehr darauf gerichtet sein, dass das Wesen der Vernunft und des Begriffs erkannt und der Satz vom Grunde des Erkennens ausführlich betrachtet werde. (W. I, 55.)

4) Worauf die Sicherheit der Logik und die Übereinstimmung Aller im Logischen beruht.

Die vollkommene Sicherheit der Wissenschaften a priori, also der Logik und Mathematik, beruht hauptsächlich darauf, dass in ihnen uns der Weg vom Grunde auf die Folge offen steht, der allemal sicher ist. Dies verleiht ihnen den Charakter rein objektiver Wissenschaften, d. h. solcher, über deren Wahrheiten Alle, welche dieselben verstehen, auch übereinstimmend urteilen müssen; welches um so auffallender ist, als gerade sie auf den subjektiven Formen des Intellekts beruhen, während die empirischen Wissenschaften allein es mit dem handgreiflichen Objektiven zu tun haben. (W. II, 98.)
Die notwendige Übereinstimmung Aller im Logischen und Mathematischen rührt nicht von etwas Äußerem her, sondern von der gleichen Beschaffenheit der subjektiven Erkenntnisformen in allen Individuen. Beim Logischen und Mathematischen ist der Stoff ganz und gar im Kopfe eines Jeden; und dieser Kopf ist entweder so, dass er die Funktionen gar nicht (der Blödsinnige), oder so, dass er sie richtig vollzieht. (H. 331 fg.)

5) Gegen den falschen Gebrauch des Wortes Logik.

Es ist unpassend, wenn man Logik sagt, wo man gesunde Vernunft meint. Man liest bisweilen das Lob von Schriftstellern: es ist viel Logik in dem Werk, statt: es enthält richtige Urteile und Schlüsse, oder man hört: er sollte erst Logik studieren, statt: er sollte seine Vernunft gebrauchen und denken, ehe er schreibt. (H. 37.) Die Ausdrücke vernünftig und logisch verhalten sich zu einander, wie Praxis und Theorie. (G. 116.)