rel='stylesheet' type='text/css'>
Schopenhauers Kosmos

 

 Kristall.

1) Einfachheit der Lebensäußerung des Kristalls.

Die verschiedenen Ideen, welche die Objektität des Willens in der Natur ausmachen, lassen sich als einzelne und an sich einfache Willensakte betrachten. Nun behält, auf den niedrigsten Stufen der Objektität, ein solcher Akt (oder eine Idee) auch in der Erscheinung seine Einheit bei; während er auf den höheren Stufen, um zu erscheinen, einer ganzen Reihe von Zuständen und Entwicklungen in der Zeit bedarf, welche alle zusammengenommen erst den Ausdruck seines Wesens vollenden. So z. B. hat die Idee, welche sich in irgend einer allgemeinen Naturkraft offenbart, immer nur eine einfache Äußerung, wenngleich diese nach Maßgabe der äußeren Verhältnisse sich verschieden darstellt. Ebenso hat der Kristall nur eine Lebensäußerung, sein Anschießen, welche nachher an der erstarrten Form, dem Leichnam jenes momentanen Lebens, ihren völlig hinreichenden und erschöpfenden Ausdruck hat. Schon die Pflanze hingegen drückt die Idee, deren Erscheinung sie ist, nicht mit Einem Male und durch eine einfache Äußerung aus, sondern in einer Sukzession von Entwicklungen ihrer Organe, in der Zeit. (W. I, 185.)

2) Die Erstarrung des Kristalls im Momente der Bewegung.

Im Anschießen des Kristalls sehen wir gleichsam noch einen Ansatz, einen Versuch zum Leben, zu welchem es jedoch nicht kommt, weil die Flüssigkeit, aus der er, gleich einem Lebendigen, im Augenblick jener Bewegung besteht, nicht, wie stets bei diesem, in einer Haut eingeschlossen ist, und er demnach weder Gefäße hat, in denen jene Bewegung sich fortsetzen könnte, noch irgend etwas ihn von der Außenwelt absondert. Daher ergreift die Erstarrung alsbald jene augenblickliche Bewegung, von der nur die Spur als Kristall bleibt. (W. II, 336.) Der Kristall ist eine Einheit des Strebens nach bestimmten Richtungen, von der Erstarrung ergriffen, die dessen Spur bleibend macht. (W. I, 157.)

3) Individualität des Kristalls.

Im unorganischen Reiche der Natur verschwindet alle Individualität; bloß der Kristall ist noch gewissermaßen als Individuum anzusehen. Die Individuen derselben Gattung von Kristallen können aber keinen anderen Unterschied haben, als den äußere Zufälligkeiten herbeiführen; man kann sogar jede Gattung nach Belieben zu großen, oder kleinen Kristallen anschießen machen. (W. I, 157.)