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Schopenhauers Kosmos

 

 Höflichkeit.

1) Ursprung der Höflichkeit.

Den Egoismus als unsere partie honteuse zu verstecken haben wir die Höflichkeit erfunden. (E. 163.) Die Höflichkeit ist die konventionelle und systematische Verleugnung des Egoismus in den Kleinigkeiten des täglichen Verkehrs und ist freilich anerkannte Heuchelei; dennoch wird sie gefordert und gelobt; weil, was sie verbirgt, der Egoismus so garstig ist, dass man es nicht sehen will, obschon man weiß, dass es da ist, wie man widerliche Gegenstände wenigstens durch einen Vorhang bedeckt wissen will. (E. 198.)
Der andere Grund der Höflichkeit liegt in Folgendem. Sie ist eine stillschweigende Übereinkunft, gegenseitig die moralisch und Intellektuell elende Beschaffenheit von einander zu ignorieren und sie sich nicht vorzurücken; — wodurch diese zu beiderseitigem Vorteil etwas weniger leicht zu Tage kommt. (P. I, 492.)

2) Verhältnis der Höflichkeit zur echten Nächstenliebe.

Zwischen den Äußerungen der Höflichkeit und der echten Liebe des Nächsten, welche nicht, wie jene, zum Schein, sondern wirklich den Egoismus überwindet, ist ein analoges Verhältnis, wie zwischen der Gerechtigkeit, welche die Menschen ausüben (der Legalität) und der echten Redlichkeit des Herzens. (E. 187.)

3) Nutzen der Höflichkeit.

Wie das Wachs, von Natur hart und spröde, durch ein wenig Wärme so geschmeidig wird, dass es jede beliebige Gestalt annimmt; so kann man selbst störrische und feindselige Menschen durch etwas Höflichkeit und Freundlichkeit biegsam und gefällig machen. Sonach ist die Höflichkeit dem Menschen, was die Wärme dem Wachs. (P. I, 492. M. 256 fg.)

4) Grenzen der Höflichkeit.

Zwar ist Höflichkeit Klugheit; sich durch Unhöflichkeit Feinde machen ist dagegen Unverstand. Denn Höflichkeit ist, wie die Rechenpfennige, eine offenkundig falsche Münze, und mit einer solchen sparsam zu sein beweist Unverstand, Freigebigkeit mit ihr Verstand. Doch darf die Höflichkeit nicht bis zum Opfern realer Interessen getrieben werden; denn das hieße echte Goldstücke statt Rechenpfennige geben. (P. I, 492.)
In der Literatur ist die Höflichkeit, als welche aus der Gesellschaft stammt, ein fremdartiges, sehr oft schädliches Element; weil sie verlangt, dass man das Schlechte gut heiße und dadurch den Zwecken der Wissenschaft, wie der Kunst, gerade entgegenarbeite. (P. II, 545 fg.)
(Über das Gegenteil der Höflichkeit, die Grobheit, siehe: Grobheit.)