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Schopenhauers Kosmos

 

 Himmel.

1) Ob der Himmel begrenzt oder unbegrenzt sei.

Die Frage, ob die Welt im Raume begrenzt oder unbegrenzt sei, ist nicht schlechthin transzendent, vielmehr an sich selbst empirisch; da die Sache immer noch im Bereiche möglicher Erfahrung liegt, welche wirklich zu machen nur durch unsere eigene physische Beschaffenheit uns benommen bleibt. A priori gibt es hier kein demonstrabel sicheres Argument, weder für die eine, noch für die andere Alternative; so dass die Sache wirklich einer Antinomie sehr ähnlich sieht, sofern bei der einen wie bei der anderen Annahme bedeutende Übelstände sich hervortun. Nämlich eine begrenzte Welt im unendlichen Raume schwindet, sei sie auch noch so groß, zu einer unendlich kleinen Größe, und man fragt, wozu denn der übrige Raum da sei, welches Vorrecht denn der erfüllte Teil des Raumes vor dem unendlichen, leer gebliebenen gehabt habe? Andererseits wieder kann man nicht fassen, dass kein Fixstern der äußerste im Raume sein sollte. (P. I, 114. W. I, 588. H. 345. M. 170.)

2) Die Harmonie des Himmels.

Die Kant-Laplace’sche Theorie der Entstehung des Planetensystems, deren Wahrscheinlichkeit der Gewissheit sehr nahe steht, zeigt uns, wie aus dem Spiele blinder, ihren unabänderlichen Gesetzen folgender Naturkräfte zuletzt diese wohlgeordnete, bewunderungswürdige Planetenwelt hervorgehen musste. Dies gibt zunächst zu der metaphysischen Betrachtung Anlass, dass im Wesen aller Dinge eine Zusammenstimmung begründet ist, vermöge welcher die uranfänglichsten, blinden, rohen, niedrigsten Naturkräfte, von der starrsten Gesetzlichkeit geleitet, durch ihren Konflikt an der ihnen gemeinschaftlich preisgegebenen Materie und durch die solchen begleitenden akzidentellen Folgen nichts Geringeres zu Stande bringen, als das Grundgerüst einer Welt, mit bewunderungswürdiger Zweckmäßigkeit zum Entstehungsort und Aufenthalt lebender Wesen eingerichtet, in der Vollkommenheit, wie es die besonnenste Überlegung unter Leitung des durchdringendsten Verstandes und der schärfsten Berechnung nur irgend vermocht hätte. Wir sehen hier also in überraschendster Weise die wirkende Ursache (causa efficiens) mit der Zweckursache (causa finalis) zusammentreffen. Diese Harmonie ist nur aus der Einheit des Willens auf allen Stufen der Natur zu erklären. Der Eine, allen Naturstufen zu Grunde liegende Wille ist es, welcher bereits in den untersten Naturkräften, an denen er seine erste Äußerung hat, seinem Ziel entgegenstrebt und durch ihre Gesetze selbst auf seinen Endzweck hinarbeitet. Ihm muss daher Alles, was nach blinden Naturgesetzen geschieht, notwendig dienen und entsprechen. Also schon die untersten Naturkräfte selbst sind von jenem selben Willen beseelt, der sich nachher in den mit Intelligenz ausgestatteten, individuellen Wesen über sein eigenes Werk verwundert. (P. II, 143—148. I, 228. W. II, 368—370.)
In Rücksicht auf die Pythagoreische Harmonie der Sphären sollte man doch einmal berechnen, welcher Akkord herauskäme, wenn man eine Folge von Tönen im Verhältnis der verschiedenen Velozitäten der Planeten zusammenstellte, so dass Neptun den Bass, Merkur den Sopran abgäbe. (P. II, 137.)

3) Unvereinbarkeit der astronomischen Ansicht vom Himmel mit dem Glauben an den persönlichen Gott.

S. unter Astronomie: Einfluss der Astronomie auf den Glauben.

4) Analogie der Bewegung der Himmelskörper mit dem Handeln des Menschen.

Ein erläuterndes, großartiges Beispiel für das Dasein und Wirken des Willens in der unorganischen Natur und die Identität des Wesentlichen in der Bewegung der Himmelskörper und in dem Handeln des Menschen liefert der Lauf des Mondes um die Erde. Durch die verschiedenen Kombinationen, welche der beständige Wechsel der Stellung von Sonne, Mond und Erde gegen einander herbeiführt, wird der Gang des Mondes bald beschleunigt, bald verlangsamt, und tritt er der Erde bald näher, bald ferner; dieses nun aber wieder anders im Perihelio, als im Aphelio der Erde; welches Alles zusammen in seinen Lauf eine solche Unregelmäßigkeit bringt, dass derselbe ein wirklich kapriziöses Ansehen erhält, indem sogar das dritte Keplersche Gesetz nicht mehr unwandelbar gültig bleibt, sondern er in gleichen Zeiten ungleiche Flächen umschreibt. Die Betrachtung dieses Laufes ist ein kleines und abgeschlossenes Kapitel der himmlischen Mechanik, welche von der irdischen sich durch die Abwesenheit alles Stoßes und Druckes und sogar des wirklich vollbrachten Falles auf erhabene Weise unterscheidet, indem sie neben der vis inertiae keine andere bewegende und lenkende Kraft kennt, als bloß die Gravitation, diese aus dem eigenen Inneren der Körper hervortretende Sehnsucht derselben nach Vereinigung. Wenn man nun an diesem gegebenen Fall sich ihr Wirken bis ins Einzelne veranschaulicht, so erkennt man deutlich und unmittelbar in der hier bewegenden Kraft eben Das, was im Selbstbewusstsein uns als Wille gegeben ist. Denn die Änderungen im Laufe der Erde und des Mondes, je nachdem eines derselben durch seine Stellung dem Einfluss der Sonne bald mehr, bald weniger ausgesetzt ist, hat augenfällige Analogie mit dem Einfluss neu eintretender Motive auf unseren Willen und mit den Modifikationen unseres Handelns danach. (W. II, 339 fg.)

5) Erhabenheit des Himmels.

Wenn der nächtliche Himmel uns zahllose Welten vor Augen bringt und so die Unermesslichkeit der Welt auf das Bewusstsein eindringt, so fühlen wir uns selbst zu Nichts verkleinert, fühlen uns als Individuum, als vergängliche Willenserscheinung, wie ein Tropfen im Ozean. Aber zugleich erhebt sich gegen solches Gespenst unserer eigenen Nichtigkeit das unmittelbare Bewusstsein, dass alle diese Welten ja nur in unserer Vorstellung da sind, nur als Modifikationen des ewigen Subjekts des reinen Erkennens, welches der bedingende Träger aller (objektiven) Welten ist. Die Größe der Welt, die uns vorher beunruhigte, ruht jetzt in uns; unsere Abhängigkeit von ihr wird aufgehoben durch ihre Abhängigkeit von uns. Dies, obwohl nicht deutlich ins Bewusstsein tretend, sondern nur gefühlt, ist das durch den Anblick des Himmels bewirkte Gefühl des Erhabenen. Es ist Erhebung über das eigene Individuum. (W. I, 242 fg.)