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Schopenhauers Kosmos

 

 Heiterkeit.

1) Das unmittelbar Beglückende der Heiterkeit.

Unter den zum Lebensglück nötigen subjektiven Gütern, welche die Eudämonologie an die Spitze stellt (s. Glückseligkeitslehre), d. h. unter den Güteren die in Dem bestehen, was Einer ist, in den persönlichen Eigenschaften, ist die Heiterkeit des Sinnes am unmittelbarsten beglückend. Nichts kann so sehr, wie diese Eigenschaft, jedes andere Gut vollkommen ersetzen; während sie selbst durch nichts zu ersetzen ist. Einer sei jung, schön, reich und geehrt, so fragt sich, wenn man sein Glück beurteilen will, ob er dabei heiter sei; ist er hingegen heiter, so ist es einerlei, ob er jung oder alt, gerade oder bucklig, arm oder reich sei; er ist glücklich. Die Heiterkeit allein ist gleichsam die bare Münze des Glücks und nicht, wie alles Andere, bloß der Bankzettel, weil nur sie unmittelbar in der Gegenwart beglückt; weshalb sie das höchste Gut ist für Wesen, deren Wirklichkeit die Form einer unteilbaren Gegenwart zwischen zwei unendlichen Zeiten hat. (P. I, 342.)

2) Grundbedingung der Heiterkeit.

Es ist gewiss, dass zur Heiterkeit nichts weniger beiträgt, als Reichtum, und nichts mehr, als Gesundheit. In den niedrigen, arbeitenden, zumal das Land bestellenden Klassen sind die heiteren und zufriedenen Gesichter, in den reichen und vornehmen die verdrießlichen zu Hause. Folglich sollten wir vor Allem bestrebt sein, uns den hohen Grad vollkommener Gesundheit zu erhalten, als dessen Blüte die Heiterkeit sich einstellt. (P. I, 343. Vergl. Gesundheit.)

3) Periodische Heiterkeit des Genies bei vorwaltender Melancholie.

So viel auch zu der für unser Glück so wesentlichen Heiterkeit die Gesundheit beiträgt, so hängt jene doch nicht von dieser allein ab; denn auch bei vollkommener Gesundheit kann ein melancholisches Temperament und eine vorherrschend trübe Stimmung bestehen. Der letzte Grund davon liegt ohne Zweifel in der ursprünglichen und daher unabänderlichen Beschaffenheit des Organismus, und zwar zumeist in dem mehr oder minder normalen Verhältnis der Sensibilität zur Irritabilität und Reproduktionskraft. Abnormes Übergewicht der Sensibilität wird Ungleichheit der Stimmung, periodische übermäßige Heiterkeit und vorwaltende Melancholie herbeiführen. Weil nun auch das Genie durch ein Übermaß der Nervenkraft, also der Sensibilität, bedingt ist; so hat Aristoteles ganz richtig bemerkt, dass alle ausgezeichnete und überlegene Menschen melancholisch seien. (P. I, 344 fg. — Vergl. unter Genie: Nachteile des Genies.)

4) Die Heiterkeit des bloß individuellen Daseins im Gegensatz zu der Melancholie der über die individuelle Erscheinung hinausgehenden Bejahung des Lebens.

Der Geschlechtstrieb hebt jene Sorglosigkeit und Heiterkeit auf, die ein bloß individuelles Dasein begleiten würden, indem er in das Bewusstsein Unruhe und Melancholie bringt. Wird er hingegen freiwillig unterdrückt, indem der Wille sich wendet, so wird dem Bewusstsein jene Sorglosigkeit und Heiterkeit des bloß individuellen Daseins wiedergegeben, und zwar auf einer erhöhten Potenz. (W. II, 649)