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Schopenhauers Kosmos

 

 Heilsordnung.

Der Zweck unseres Daseins kann nicht, wie der Optimismus annimmt, der sein, glücklich zu sein, da sich dem unbefangenen Blick das Leben darstellt wie ganz eigentlich darauf abgesehen, dass wir uns nicht glücklich darin fühlen sollen. Der Zweck des Lebens kann auch nicht ganz allein und unmittelbar in den moralischen Tugenden, also in der Ausübung der Gerechtigkeit und Menschenliebe liegen. Vielmehr ist der Zweck des Lebens Läuterung, Wendung des Willens, Erlösung von dem sündhaften, die traurige Beschaffenheit dieser Welt herbei führenden Wollen. Zu diesem Zweck sind Leiden und Tod wie berechnet. Das Leben ist vom Leiden unzertrennlich; ein Anstrich von Absichtlichkeit ist hierin nicht zu verkennen. Das Leiden ist der Läuterungsprozess, durch welchen allein in den meisten Fällen der Mensch geheiligt, d. h. von dem Irrweg des Willens zum Leben zurückgeführt wird. In noch höherem Grade kommt dem mehr als alles Leiden gefürchteten Tode die heiligende Kraft zu. Bei dem naturgemäßen Verlauf kommt im Alter das Absterben des Leibes dem Absterben des Willens entgegen.
Setzt man also den Zweck des Daseins in die gänzliche Umkehrung unseres Wesens, so ist damit der Verlauf des Lebens, das Leiden und schließlich der Tod in Übereinstimmung. Das Leben stellt sich alsdann dar als ein Läuterungsprozess, dessen reinigende Lauge der Schmerz ist. Ist der Prozess vollbracht, so lässt er die ihm vorhergegangene Immoralität und Schlechtigkeit als Schlacke zurück. (W. II, 726—733.)