rel='stylesheet' type='text/css'>
Schopenhauers Kosmos

 

 Handlung. Handlungsweise.

1) Die Handlung als notwendiges Produkt zweier Faktoren.

Wie jede Wirkung in der unbelebten Natur ein notwendiges Produkt zweier Faktoren ist, nämlich der hier sich äußernden allgemeinen Naturkraft, und der diese Äußerung hier hervorrufenden einzelnen Ursache; gerade so ist jede Handlung eines Menschen das notwendige Produkt seines Charakters und des eingetretenen Motivs. Sind diese beiden gegeben, so erfolgt sie unausbleiblich. Damit eine andere entstünde, müsste entweder ein anderes Motiv oder ein anderer Charakter gesetzt werden. Auch würde jede Handlung sich mit Sicherheit vorhersagen, ja berechnen lassen, wenn nicht teils der Charakter sehr schwer zu erforschen, teils auch das Motiv oft verborgen und stets der Gegenwirkung anderer Motive, die allein in der Gedankensphäre des Menschen, Anderen unzugänglich, liegen, bloßgestellt wäre. (E. 56.) Jedes Ding wirkt gemäß seiner Beschaffenheit, und sein aus Ursachen erfolgendes Wirken gibt die Beschaffenheit kund. Jeder Mensch handelt nach dem wie er ist, und die demgemäß jedes Mal notwendige Handlung wird, im individuellen Fall, allein durch die Motive bestimmt. Aus dem Essi (Charakter) und den Motiven folgt das Operari (Handeln) mit Notwendigkeit. (E. 97. 176. P. II, 247.) Keine Handlung kann ohne zureichendes Motiv geschehen; so wenig, als ein Stein ohne zureichenden Stoß, oder Zug sich bewegen kann. Eben so wenig kann eine Handlung, zu welcher ein für den Charakter des Handelnden zureichendes Motiv vorhanden ist, unterbleiben, wenn nicht ein stärkeres Gegenmotiv ihre Unterlassung notwendig macht. (E. 205.)

2) Zusammenbestehen der Freiheit und Verantwortlichkeit mit der Notwendigkeit der Handlungen.

(S. unter Freiheit: Wo die moralische Freiheit liegt.)

3) Letzter Zweck jeder Handlung.

Was den Willen bewegt, ist allein Wohl und Wehe überhaupt und im weitesten Sinne des Wortes genommen; wie auch umgekehrt Wohl und Wehe bedeutet einem Willen gemäß, oder entgegen. Also muss jedes Motiv eine Beziehung auf Wohl und Wehe haben. Folglich bezieht jede Handlung sich auf ein für Wohl und Wehe empfängliches Wesen, als ihren letzten Zweck. Dieses Wesen ist entweder der Handelnde selbst, oder ein Anderer, welcher alsdann bei der Handlung passiv beteiligt ist, indem sie zu seinem Schaden oder zu seinem Nutz und Frommen geschieht. (E. 205 fg.)

4) Die drei Grundtriebfedern der menschlichen Handlungen.

Es gibt überhaupt nur drei Grundtriebfedern der menschlichen Handlungen, und allein durch Erregung derselben wirken alle irgend möglichen Motive. Sie sind:
a) Egoismus, der das eigene Wohl will (ist Grenzenlos).
b) Bosheit, die das fremde Wehe will (geht bis zur äußersten Grausamkeit).
c) Mitleid, welches das fremde Wohl will (geht bis zum Edelmut und zur Großmut).
Jede menschliche Handlung muss auf eine dieser Triebfedern zurück zu führen sein; wiewohl auch zwei derselben vereint wirken können. (E. 210.)

5) Veränderlichkeit der Handlungsweise bei Unveränderlichkeit des Charakters.

Aus der Unveränderlichkeit des Charakters folgt zwar, dass ein Mensch, wie er in einem Falle gehandelt hat, so unter völlig gleichen Umständen stets wieder handeln wird, was auch Jeder voraussetzt, indem er Dem, den er ein Mal unredlich befunden, nie wieder traut. Aber zu den Umständen gehört auch die Erkenntnis, die Ansicht des Individuums von den Dingen, und diese ist der Veränderung unterworfen, daher auch die Handlungsweise veränderlich ist. Das Individuum kann zu der Einsicht gelangen, dass diese oder jene Mittel, die es früher anwandte, nicht zu seinem Ziele führen, oder mehr Nachteile, als Gewinn bringen; dann ändert es die Mittel, wenngleich nicht die Zwecke. Trotz der Unveränderlichkeit des Charakters und trotz der Notwendigkeit, mit der die Motive wirken, ist also doch, weil die Motive durch die Erkenntnis, als welche das Medium der Motive ist, hindurchzugehen haben, die Erkenntnis aber der mannigfaltigsten Erweiterung und der immerwährenden Berichtigung fähig ist, — die Handlungsweise sehr veränderlich. Unter gleichen äußeren Umständen kann doch die Lage eines Menschen das zweite Mal in der Tat eine ganz andere sein, als das erste, wenn er nämlich erst in der Zwischenzeit fähig geworden ist, jene Umstände richtig und vollständig zu begreifen, wodurch jetzt Motive auf ihn wirken, denen er früher unzugänglich war. (E. 50—52.)

6) Erkennbarkeit des Charakters aus den Handlungen.

(S. unter Charakter: Erkennbarkeit des Charakters.)

7) Die Handlung im Drama.

(S. Drama.)

8) Kriterium der Handlungen von echt moralischem Wert.

(S. Moralisch. Moralität.)