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Schopenhauers Kosmos

 

 Gespräch.

1) Was sich im Gespräche kundgibt.

Es ist zum Erstaunen, wie leicht und schnell Homogenität, oder Heterogenität des Geistes und Gemütes zwischen Menschen sich im Gespräche kund gibt; an jeder Kleinigkeit wird sie fühlbar. Betreffe das Gespräch auch die fremdartigsten, gleichgültigsten Dinge; so wird, zwischen wesentlich heterogenen, fast jeder Satz des Einen dem Andern mehr oder minder missfallen. Homogene hingegen fühlen sogleich und in Allem eine gewisse Übereinstimmung, die bei großer Homogenität bald zur vollkommenen Harmonie, ja, zum Unisono zusammenfließt. (P. I, 473 fg.)
Zwischen geistig Heterogenen ist nur eine moralische, keine Intellektuelle Verbindung möglich. Sogar bei ziemlich gleichem Grade der Bildung gleicht die Konversation zwischen einem großen Geiste und einem gewöhnlichen Kopfe der gemeinschaftlichen Reise eines Mannes, der auf einem mutigen Rosse sitzt, mit einem Fußgänger. Auf eine kurz Strecke kann zwar der Reiter absitzen, um mit dem Anderen zu gehen; wiewohl auch dann ihm die Ungeduld seines Pferdes viel zu schaffen machen wird. (W. II, 162.)

2) Gegensatz zwischen dem Gespräch der Gewöhnlichen und dem der geistig Bevorzugten.

Die meisten Menschen sind keines andern, als subjektiven Gebrauchs ihres Intellekts fähig, weil dieser bei ihnen bloß ein Werkzeug zum Dienste des Willens ist und in diesem Dienste gänzlich aufgeht. Daher ihre Trockenheit und Unfähigkeit zu jedem freien, objektiv unterhaltenden Gespräch. Man soll mit ihnen in Geschäften reden, sonst nicht. Hingegen ist das Gespräch zwischen Leuten die nur irgendwie eines rein objektiven Gebrauchs ihres Intellekts fähig sind, immer schon ein freies Spiel geistiger Kräfte, verhält sich also zu jenem der Andern, wie Tanzen zum Gehen. Ein solches Gespräch ist in der Tat, wie wenn Zwei oder Mehrere mit einander tanzen; während jenes andere einem bloßen Marschiren neben oder hinter einander, um anzukommen, gleicht. (P. II, 73 fg. 87. 535. H. 452.)

3) Überlegenheit des Alters über die Jugend im Gespräch.

Die geistige Überlegenheit, sogar die größte, wird in der Konversation ihr entschiedenes Übergewicht erst nach dem vierzigsten Jahre geltend machen. Denn die Reife der Jahre und die Frucht der Erfahrung kann durch jene wohl vielfach übertroffen, jedoch nie ersetzt werden; sie aber gibt auch dem gewöhnlichsten Menschen ein gewisses Gegengewicht gegen die Kräfte des größten Geistes, so lange dieser jung ist. (P. I, 514.)

4) Eine im Gespräch zu beobachtende Klugheitsregel.

Man enthalte sich aller, selbst noch so wohlgemeinter, korrektioneller Bemerkungen im Gespräche; denn die Leute zu kränken ist leicht, sie zu besseren schwer, wo nicht unmöglich. Wenn die Absurditäten eines Gesprächs, welches wir anzuhören im Falle sind, anfangen uns zu ärgern, müssen wir denken, es wäre eine Komödienszene zwischen zwei Narren. (P. I, 493.)

5) Dürftigkeit des durch das Gespräch Mitteilbaren.

Die Tiere in ihrem naiven und reflexionslosen Treiben sind für den die Sprache der Natur Verstehenden und Liebenden bisweilen viel unterhaltender, als die gewöhnlichen Menschen. Denn, erstlich, was kann man sich überhaupt sagen? Nur Begriffe sind durch Worte mitteilbar, also die trockensten Vorstellungen, und was für Begriffe hat denn wohl so ein gewöhnlicher Mensch mitzuteilen; auch ist der größte Reiz des Gesprächs nur das Mimische, der sich zeigende Charakter, so wenig es auch sei. Sogar aber der vorzüglichste Mensch, wie wenig kann er durch Begriffe, die doch allein mitteilbar sind, sagen von dem, was in ihm vorgeht. Bei gewöhnlichen Menschen aber kommt zu ihrer Dürftigkeit noch Dies hinzu, dass ihre Vernunft sie in den Stand setzt, sich zu verstellen, so dass sie nicht einmal das Wenige, das in ihnen ist, zeigen, sondern statt dessen eine Maske. (H. 450 fg.)
Wenn Anschauungen mitteilbar wären, da gäbe es eine der Mühe lohnende Mitteilung; so aber muss am Ende Jeder in seiner Haut bleiben und in seiner Hirnschale und Keiner kann dem Anderen helfen. (W. II, 79 fg.)
(Über den Dialog und seinen Wert siehe: Dialog.)