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Schopenhauers Kosmos

 

 Gesicht.

1) Der Sinn des Gesichts.

S. Sinne.

2) Das Gesicht in physiognomischer Hinsicht.

a) Physiognomische Einheit des Gesichts.

Wenn man betrachtet, wie in jedem Menschengesicht etwas so ganz ursprüngliches, so durchaus Originelles liegt und dasselbe eine Ganzheit zeigt, welche nur einer aus lauter notwendigen Teilen bestehenden Einheit zukommen kann; so muss man bezweifeln, dass etwas von so wesentlicher Einheit und so großer Ursprünglichkeit je aus einer andern Quelle hervorgehen könne, als aus den geheimnisvollen Tiefen des Inneren der Natur. Daher auch muss man bei jedem von einem Künstler bloß ersonnenen Gesicht zweifeln, ob es in der Tat ein mögliches sei. Denn wie sollte er eine wirkliche physiognomische Einheit zusammensetzen, da ihm doch das Prinzip dieser Einheit eigentlich unbekannt ist? (W. II, 479.)

b) Erkennbarkeit des moralischen und Intellektuellen Wesens eines Menschen aus den Gesichtszügen.

Jedes Menschengesicht ist eine Hieroglyphe, die sich allerdings entziffern lässt, ja deren Alphabet wir fertig in uns tragen. Das Gesicht sagt mehr, als der Mund; denn es ist das Kompendium alles Dessen, was dieser je sagen wird, indem es das Monogramm alles Denkens und Trachtens eines Menschen ist. Alle gehen stillschweigend von dem Grundsatz aus, dass Jeder ist, wie er aussieht. Dieser Grundsatz ist auch richtig; aber die Schwierigkeit liegt in der Anwendung, bei welcher auch der Geübteste Irrtümer begeht. Dennoch lügt das Gesicht nicht. (P. II, 670 fg. 674.)
Das Intellektuelle Wesen eines Menschen ist am besten aus Auge und Stirn, das moralische aus Mund und Kinn zu erkennen. (M. 280.)

c) Seltenheit erfreulicher Gesichter und Grund hiervon.

Mit Ausnahme der schönen, der gutmütigen und der geistreichen Gesichter, — also höchst weniger und seltener, — wird fein fühlenden Personen jedes neue Gesicht meistens eine dem Schreck Verwandte Empfindung erregen, indem es, in neuer und überraschender Kombination, das Unerfreuliche darbietet. Metaphysisch lässt sich dies daraus erklären, dass die Individualität eines Jeden gerade Das ist, wovon er zurückgebracht, korrigiert werden soll; psychologisch aber daraus, dass in dem Inneren der Meisten ein langes Leben hindurch höchst selten etwas Anderes aufgestiegen ist, als kleinliche, niedrige, miserable Gedanken, und gemeine, eigennützige, neidische, schlechte und boshafte Wünsche. Dieses Alles hat dem Gesicht seine Spuren eingedrückt, und diese Spuren haben sich, durch viele Wiederholung, mit der Zeit tief eingefurcht. (P. II, 672.)