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Schopenhauers Kosmos

 

 Gemein.

1) Warum gemein ein Ausdruck der Verachtung ist.

Gemein bedeutet ursprünglich das Allen, d. h. der ganzen Spezies Eigene und Gemeinsame. Demnach ist wer weiter keine Eigenschaften hat, als die der Menschenspezies überhaupt, ein gemeiner Mensch. Welchen Wert aber kann ein Wesen haben, welches weiter nichts ist, als Millionen seines Gleichen? Das Auszeichnende des Menschen vor dem Tiere ist, dass, während dieses nur Gattungscharakter hat, jenem Individualcharakter zukommt. Jedoch ist in den Meisten nur wenig wirklich Individuelles. Ihr Wollen und Denken, wie ihre Physiognomie sind die der ganzen Spezies, allenfalls der Klasse, der sie angehören, und darum alltäglich, gemein. Der Fluch der Gemeinheit stellt den Menschen dem Tiere darin nahe, dass er ihm Wesen und Dasein nur in der Spezies zugesteht. (P. II, 633.)

2) Der Sitz der Gemeinheit.

Was wir mit allen Menschen, ja mit den Tieren gemein haben, worin wir also Jedem gleich sind, ist der Wille. Dagegen ist Das, was Wesen über Wesen erhebt, die Erkenntnis. Der Wille als das durchaus Gemeinsame ist eben auch das Gemeine. Demgemäß ist jedes heftige Hervortreten desselben gemein, d. h. es setzt uns herab zu einem bloßen Beispiele (Exemplare) der Gattung. Gemein daher ist aller Zorn, unbändige Freude, Hass, Furcht, kurz jeder Affekt, d. h. jede Bewegung des Willens, wenn sie so stark wird, dass sie im Bewusstsein das Erkennen entschieden überwiegt. Will man nicht gemein werden, so hat man seinen Willen zu verbergen, wie seine Genitalien, obgleich Beide die Wurzel unseres Wesens sind, und hat bloß die Erkenntnis sehen zu lassen. (P. II, 634 fg.)

3) Der Sinn und das Treffende des Ausdrucks sich gemein machen.

Jeder misst den Anderen nur nach Maßgabe seiner eigenen Intelligenz. Für den geistig Niedrigen, Vulgären, dessen Erkennen ganz nur im Dienste seines Willens, seiner persönlichen Zwecke und Angelegenheiten aufgeht, ist daher der geistig Hohe so wenig vorhanden, wie die Farbe für den Blinden. Alle Geister sind Dem unsichtbar, der selbst keinen hat; jede Wertschätzung ist ein Produkt aus dem Werte des Geschätzten mit der Erkenntnissphäre des Schätzers. Hieraus folgt, dass man sich mit Jedem, mit dem man spricht, nivelliert. Erwägt man nun, wie niedrig gesinnt und begabt, also gemein die meisten Menschen sind, und wie schwer daher es ist, mit ihnen zu verkehren, ohne auf solche Zeit selbst gemein zu werden, so wird man den eigentlichen Sinn und das Treffende des Ausdrucks sich gemein machen gründlich verstehen. (P. I, 476.) Geselligkeit mit Gemeinen, bloß eines subjektiven Interesses Fähigen, ist Degradation, recht eigentliches Sich gemein machen. (P. II, 74.)