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Schopenhauers Kosmos

 

 Geiz.

Die Stelle des Geizes unter den Lastern lässt sich nicht minder in Zweifel ziehen, als die der Tapferkeit unter den Tugenden. Verwechselt man Geiz nicht mit Habsucht (avaritia), so lässt sich für ihn sagen, dass er von dem richtigen Grundsatze ausgehend, dass alle Genüsse bloß negativ wirken, die Schmerzen hingegen positiv und sehr real sind, sich jene versagt, um sich vor diesen desto besser zu sichern, sonach das sustine et abstine zu seiner Maxime macht. Sogar, wenn der Geizige hierin zu weit ginge, würde dieser Fehler höchstens ihm selbst, nicht Anderen zum Schaden gereichen. Die von ihm aufgehäuften Schätze kommen meist Anderen zu Gute; aber auch noch bei seinem Leben lässt sich in Fällen großer Not immer noch eher von ihm etwas hoffen, als von dem ausgebeutelten, verschuldeten Verschwender.
Andererseits aber, von einem anderen Gesichtspunkt aus, lässt sich gegen den Geiz sagen, dass er die Quintessenz der Laster ist. Denn, während der Verschwender, bloß vom Reize der Gegenwart hingerissen, seiner sinnlichen Natur unterliegt und unüberlegt, um die Zukunft unbekümmert, handelt, so überlebt hingegen in Dem, dessen Fähigkeit zu sinnlichen Genüssen erstorben ist, wenn er sich zum Geize wendet, die geistige Gier die fleischliche. Das Geld, der Repräsentant aller Güter der Welt, das Abstraktum derselben, wird jetzt der dürre Stamm, an welchen seine abgestorbenen Begierden, als Egoismus in abstrakto, sich klammern. Sie regenerieren sich nunmehr in der Liebe zum Mammon. Aus der flüchtigen, sinnlichen Begierde ist eine überlegte und berechnende Gier nach Gelde geworden. Es ist die hartnäckige, gleichsam sich selbst überlebende Liebe zu den Genüssen der Welt, die sublimierte und vergeistigte Fleischeslust. Der Geiz ist das Laster des Alters, wie Verschwendung das der Jugend. (P. II, 221—223.)