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Schopenhauers Kosmos

 

 Gedanken.

1) Die Gedanken als Produkt zweier Faktoren.

Die Qualität unserer Gedanken (ihr formeller Wert) kommt von innen; aber ihre Richtung, und dadurch ihr Stoff, von außen; so dass, was wir in jedem gegebenen Augenblicke denken, das Produkt zweier grundverschiedener Faktoren ist. Demnach sind für den Geist die Objekte nur Das, was das Plektrum für die Lyra; daher die große Verschiedenheit der Gedanken, welche der selbe Anblick in verschiedenen Köpfen erregt. Ob die Lyra wohlgestimmt und hochgestimmt sei, Das begründet den großen Unterschied der in jedem Kopfe sich darstellenden Welt. (P. II, 57.)

2) Unabhängigkeit der Gedanken von der Willkür.

Gedanken kommen nicht, wann wir, sondern wann sie wollen. (P. II, 54.) Die Qualität unserer Gedanken hängt von physiologischen und anatomischen Bedingungen ab, die Gegenstände derselben vom Zufall. Zwar stehen die Gegenstände, mit denen wir uns im Denken beschäftigen, zum Teil in unserer Willkür, und wir können hier mit methodischer Absichtlichkeit verfahren. Jedoch gute, ernste Gedanken über würdige Gegenstände lassen sich nicht zu jeder Zeit willkürlich heraufbeschwören; Alles was wir tun können ist, ihnen den Weg frei zu halten, durch Verscheuchung aller futilen, läppischen oder gemeinen Ruminationen. Man lasse den guten Gedanken nur den Plan frei; sie werden kommen. (P. II, 57.)

3) Förderung der Gedanken durch Bewegung in freier Luft.

Das Gehen in freier Luft ist dem Aufsteigen eigener Gedanken ungemein günstig. Dies ist dem durch jene Bewegung beschleunigten Atmungsprozess zuzuschreiben, als welcher teils den Blutumlauf kräftigt und beschleunigt, teils das Blut besser oxidiert; wodurch erstlich die zwiefache Bewegung des Gehirns, nämlich die, welche jedem Atemzuge, und die, welche jedem Pulsschlag folgt, rascher und energischer, wie auch der turgor vitalis desselben gespannter wird, und zweitens ein vollkommener oxidiertes und dekarbonisiertes, also vitaleres, arterielles Blut aus den von den Karotiden ausgehenden Verzweigungen in die ganze Substanz des Gehirns dringt und die innere Vitalität desselben erhöht. Die durch alles Dieses herbeigeführte Belebung der Denkkraft dauert jedoch nur, so lange man vom Gehen durchaus nicht ermüdet. (P. II, 175.)

4) Gedanke und Wort.

Das eigentliche Leben eines Gedankens dauert nur, bis er an den Grenzpunkt der Worte angelangt ist; da petrifiziert er, ist fortan tot, aber unverwüstlich, gleich den versteinerten Tieren und Pflanzen der Vorwelt. Auch dem des Kristalls, im Augenblick des Anschießens kann man sein eigentliches Leben vergleichen. (P. II, 542.)

5) Warum man wertvolle Gedanken bald niederschreiben soll.

Wertvolle eigene Gedanken soll man möglichst bald niederschreiben. Denn die Gegenwart eines Gedankens ist wie die Gegenwart einer Geliebten. Aus den Augen, aus dem Sinn! Der schönste Gedanke läuft Gefahr, unwiederbringlich vergessen zu werden, wenn er nicht aufgeschrieben, und die Geliebte, von uns geflohen zu werden, wenn sie nicht angetraut worden. (P. II, 54. 534.)

6) Unterschiedlicher Wert der Gedanken.

Es gibt Gedanken die Menge, welche Wert haben für Den, der sie denkt; aber nur wenige unter ihnen, welche die Kraft besitzen, noch durch Reperkussion oder Reflexion zu wirken, d. h. nachdem sie niedergeschrieben worden, dem Leser Anteil abzugewinnen. (P. II, 534.)

7) Quelle aller wahrhaft originellen Gedanken.

Das mit Hilfe anschaulicher Vorstellungen operierende Denken ist, als auf die Grundlage aller Begriffe zurückgehend, der Erzeuger aller wahrhaft originellen Gedanken, aller ursprünglichen Grundansichten. (G. 104.) (Vergl. Anschauung)