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Schopenhauers Kosmos

 

 Brahmanismus.

1) Der Brahmanismus ist Atheismus und kennt keinen ersten Anfang der Welt.

Die Urreligionen unseres Geschlechts, welche auch noch jetzt die größte Anzahl von Bekennern auf Erden haben, also Brahmanismus und Buddhismus, kennen keinen ersten Anfang der Welt, sondern führen die Reihe der einander bedingenden Erscheinungen ins Unendliche hinauf, — ein historischer Beleg dafür, dass die Annahme eines absoluten Anfangs, die Annahme einer Grenze der Welt in der Zeit, keineswegs ein notwendiger Gedanke der Vernunft, also keineswegs im Wesen der Vernunft begründet ist. (W. I, 574. 587.)
Es darf uns nicht in den Sinn kommen, das Brahm der Hindu, welches in mir, in dir, in meinem Pferde, in deinem Hunde lebt und leidet, — oder auch den Brahma, welcher geboren ist und stirbt, andern Brahmas Platz zu machen, und dem überdies sein Hervorbringen der Welt zur Schuld und Sünde angerechnet wird, mit Gott dem Herrn, dem persönlichen Schöpfer und Regierer der Welt, der Alles wohlgemacht, zu verwechseln. (G. 125.)

2) Der Brahmanismus ist Idealismus.

Die edleren, älteren und besseren Religionen, also Brahmanismus und Buddhismus, legen ihren Lehren durchaus den Idealismus zu Grunde, dessen Anerkennung sie mithin sogar dem Volk zumuten. (P. II, 40.) Bloß in Europa ist der Idealismus, in Folge der wesentlich und unumgänglich realistischen Grundansicht, paradox. (G. 32.)

3) Der Brahmanismus lehrt Metempsychose.

In den Veden, wie in allen heiligen Büchern Indiens gelehrt, ist die Metempsychose der Kern des Brahmanismus und Buddhismus, herrscht demnach noch jetzt im ganzen nicht islamisierten Asien, also bei mehr als der Hälfte des ganzen Menschengeschlechts als die festeste Überzeugung und mit unglaublich starkem praktischen Einfluss. (W. II, 577.)

4) Der Brahmanismus ist Pessimismus.

Brahma bringt durch eine Art Sündenfall oder Verirrung, die Welt hervor, bleibt aber dafür selbst darin, es abzubüßen, bis er sich daraus erlöst hat; — sehr gut! (P. II, 322; G. 125.)

5) Brahmanische Lehre von der unveränderlichen Bestimmtheit des angeborenen Charakters.

Die Brahmanen drücken die unveränderliche Bestimmtheit des angeborenen Charakters mythisch dadurch aus, dass sie sagen, Brahma habe, bei der Hervorbringung jedes Menschen, sein Tun und sein Leiden in Schriftzeichen auf seinen Schädel gegraben, denen gemäß sein Lebenslauf ausfallen müsse. Als diese Schrift weisen sie die Zacken der Suturen der Schädelknochen nach. (P. II, 243.)