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Schopenhauers Kosmos

 

 Beispiel.

l) Worauf der starke Einfluss des Beispiels beruht.

Der Einfluss des Beispiels ist mächtiger, als der der Lehre. Die sehr starke Wirkung des Beispiels beruht auf der Unselbständigkeit der meisten Menschen. Die Meisten haben zu wenig Urteilskraft und zu wenig Kenntnis, um nach eigenem Ermessen zu handeln. Daher sie gern in die Fußstapfen Anderer treten. Die Scheu vor eigenem Nachdenken und das große Misstrauen gegen das eigene Urteil treibt sie zur Nachahmung. (P. II, 254.)

2) Zwiefache Wirkungsweise des Beispiels.

Das Beispiel wirkt entweder hemmend oder befördernd. Ersteres, wenn es den Menschen bestimmt, zu unterlassen was er gern täte, sei es, dass er es nicht für rätlich hält, oder gar an einem Andern, der es getan, die schlimmen Folgen wahrgenommen; dies ist das abschreckende Beispiel. Befördernd wirkt das Beispiel, indem es entweder den Menschen bewegt, zu tun was er gern unterließe, oder ihn ermutigt, zu tun, was er gern tut, jedoch bisher aus Furcht vor Gefahr oder Schande unterließ; dies ist das verführerische Beispiel. (P. II, 253 fg.)

3) Mittelbare Wirkung des Beispiels.

Wenn das Beispiel den Menschen auf Etwas bringt, das ihm sonst gar nicht eingefallen wäre, so wirkt es in diesem Fall zunächst nur auf den Intellekt; die Wirkung auf den Willen ist dabei sekundär und wird, wenn sie eintritt, durch einen Act eigener Urteilskraft, oder durch Zutrauen auf den, der das Beispiel gibt, vermittelt. (P. II, 254.)

4) Verschiedene Art der Wirkung des Beispiels bei verschiedenen Charakteren

Die Art der Wirkung des Beispiels wird durch den Charakter eines Jeden bestimmt; daher dasselbe Beispiel auf den Einen verführerisch, auf den Anderen abschreckend wirkt. Der Eine denkt: Pfui, wie egoistisch, wie rücksichtslos ist dies; ich will mich hüten, dergleichen zu tun. Zwanzig Andere denken: Tut Der Das, darf ich’s auch. (P. II, 254.)

5) Wirkung des Beispiels in moralischer Hinsicht.

Das Beispiel kann, wie die Lehre, zwar eine zivile, oder legale Besserung befördern, jedoch nicht die innerliche, eigentlich moralische. Das Beispiel wirkt nur als ein Beförderungsmittel des Hervortretens der guten und schlechten Charaktereigenschaften, aber es schafft sie nicht. (P. II, 255.)